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Alles Glück kommt nie

Titel: Alles Glück kommt nie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carl Hanser Verlag
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Perspektive oder auch ein Fragezeichen, aber reden, mein Gott, was – was konnte man mit Worten schon sagen?
    »Noch können Sie gehen!«, fügte sie hinzu.
    Diesmal klappte es mit dem Lächeln.
    »Ihre Schwester«, flüsterte er.
    »Meine Schwester war ... Okay, hören Sie«, fuhr sie fröhlicher fort, »ich fange am besten gleich an zu weinen, dann haben wir das hinter uns.«
    Sie zog an ihrem Ärmel, als wollte sie ein Taschentuch auseinanderfalten: »Meine Schwester, meine einzige Schwester,hieß Ellen. Sie war fünf Jahre älter und einfach nur – großartig. Hübsch, witzig, glückstrahlend. Das sage ich nicht, weil sie meine Schwester war, sie war einfach so. Sie war meine Freundin, meine einzige, glaube ich, und noch viel mehr als das. Sie hat sich immer um mich gekümmert, als wir noch Kinder waren. Sie schrieb mir, als ich im Internat war, und sogar nachdem sie geheiratet hatte, haben wir fast täglich miteinander telefoniert. Selten länger als zwanzig Sekunden, weil fast immer ein Ozean oder zwei Kontinente zwischen uns lagen, aber zwanzig Sekunden, das musste sein.
    Dabei waren wir sehr unterschiedlich. Wie die Schwestern in den Romanen von Jane Austen, wissen Sie? Die große Sensible und die kleine Sensitive. Sie war meine Marianne und meine Elinor, sie war ruhig, ich turbulent. Sie war sanftmütig, ich schwierig. Sie wollte Familie haben, ich eine Aufgabe. Sie wartete auf Kinder, ich auf meine Visa. Sie war großzügig, ich ehrgeizig. Sie hörte zu. Ich nie. Wie mit Ihnen heute Abend. Und da sie perfekt war, gab sie mir das Recht, es nicht zu sein. Sie war der Pfeiler, und der Pfeiler war zuverlässig, ich konnte also durch die Weltgeschichte reisen. Die Familie würde fortbestehen.
    Sie hat mich immer unterstützt, ermutigt, gefördert, geliebt. Wir hatten entzückende Eltern, aber sie waren völlig unfähig, und so hat sie mich großgezogen.
    Ellen ...
    Es ist lange her, dass ich ihren Namen laut ausgesprochen habe.«
     
    Stille.
     
    »Und so zynisch ich damals auch war«, fuhr sie fort, »musste ich am Ende zugeben, dass happy ends nicht nur viktorianischen Romanen vorbehalten waren. Sie hat ihre erste große Liebe geheiratet, und ihre erste große Liebe war ein toller Mann – Pierre Ravennes, ein Franzose. Ein hinreißender Kerl.Ebenso großzügig wie sie. Beaufrère passte als Ausdruck viel besser als brother-in-law. Ich mochte ihn sehr gern, und das Gesetz hatte damit nichts zu tun. Er war Einzelkind und hatte sehr darunter gelitten. Im Übrigen war er Geburtshelfer geworden. Ja, so ein Typ war er. Der wusste, was er wollte. Ich denke, die Tischgesellschaft von heute Abend hätte ihn begeistert. Er wolle sieben Kinder haben, sagte er, und man wusste nie, ob er scherzte oder nicht. Zuerst kam Samuel. Ich bin seine Patin. Dann Alice, dann Harriet. Ich habe sie nicht sehr oft gesehen, aber ich war immer beeindruckt von der Atmosphäre, die bei ihnen herrschte, es war ... Kennen Sie Roald Dahl?«
    Er nickte.
    »Ich liebe diesen Typ. Am Ende von Danny The Champion Of The World gibt es eine Botschaft an seine jungen Leser, die ungefähr so lautet: Wenn ihr einmal groß seid, vergesst bitte nicht, dass Kinder Eltern wollen und auch verdienen , die sparky sind. Ich weiß nicht, wie ich das Wort übersetzen soll. Brillant? Witzig? Funkelnd? Temperamentvoll? Wie Champagnerprickeln vielleicht. Was ich allerdings weiß, ist, dass ihr Zuhause mega-sparky war. Ich war entzückt und ein wenig confused zugleich, das könnte ich nie, dachte ich. Ich hätte nicht die Großherzigkeit, die Fröhlichkeit und die nötige Geduld, um Kinder so glücklich zu machen.
    Ich erinnere mich noch gut, dass ich mir sagte, zum Scherz und auch um mich zu beruhigen: Sollte ich einmal Kinder haben, werde ich sie Ellen anvertrauen. Und dann ...«
    Trauriges Gesicht.
    Charles hätte gern ihre Schulter oder ihren Arm berührt. Wagte es aber nicht.
    »Und heute bin ich es, die ihnen die Bücher von Roald Dahl vorliest.«
    Er nahm ihr das Glas aus der Hand, schenkte nach und hielt es ihr wieder hin.
    »Danke.«
     
    Lange Stille.
     
    Kinderlachen und Gitarrenklänge in der Ferne gaben ihr den Mut, weiterzureden.
    »Eines Tages habe ich ihnen einen Überraschungsbesuch abgestattet. Am Geburtstag meines Patenkindes. Damals lebte ich in den USA, arbeitete viel und hatte die Jüngste noch nicht gesehen. Kaum war ich ein paar Stunden da, kündigte sich Pierres Vater an. Der berühmte Louis von Samuels Hemd. Der Mann war total irre,

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