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Alles Glück kommt nie

Titel: Alles Glück kommt nie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carl Hanser Verlag
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originell, witzig. Im wahrsten Sinne des Wortes sparky. Ein Weingroßhändler, der gern trank, aß, lachte, Kinder in die Luft warf, bis an die Decke, und sie an den Füßen wieder auffing und der alle, die er liebte, an seinem dicken Bauch erdrückte.
    Er war Witwer, vergötterte Ellen, und ich denke, dass sie ebenso ihn geheiratet hat wie seinen Sohn. Dazu muss man wissen, dass unser Vater, als wir auf die Welt kamen, schon ein alter Mann war. Universitätsprofessor für Latein und Griechisch, sehr liebenswürdig, aber ziemlich – zerstreut. Fühlte sich in Gesellschaft von Plinius dem Älteren wohler als mit seinen Töchtern. Nachdem Louis mitgekriegt hatte, dass ich da war und die Kinder hüten könnte, hat er Pierre und Ellen bekniet, mit ihm ins Burgund zu fahren, in einen Weinkeller oder was auch immer. Kommt mit, hat er sie bearbeitet, das wird euch gefallen. Ihr seid schon lange nicht mehr weggefahren! Los! Kommt mit! Wir schauen uns ein hübsches Landgut an, schlagen uns den Bauch voll, übernachten in einem göttlichen Hotel, und morgen Nachmittag seid ihr wieder zurück. Pierre! Tu’s Ellen zuliebe! Damit sie mal von den Babyfläschchen wegkommt!
    Ellen zögerte. Sie hatte überhaupt keine Lust, mich allein zu lassen, glaube ich. Und an dieser Stelle, Charles, an dieser Stelle sage ich, dass das Leben ganz schön gemein sein kann, denn ich war es, die darauf bestanden hat, dass sie fahren. Ich hatte das Gefühl, so ein kleiner Ausflug würde Pierre und seinem Vater viel Freude machen. Fahr schon, habe ich gesagt,schlag dir den Bauch voll und übernachte unter einem Baldachin, we’ll be fine.
    Sie stimmte zwar zu, aber ich spürte, dass sie sich dazu zwang. Wieder einmal ließ sie den Wünschen der anderen den Vortritt.
    Alles ging ganz schnell. Wir hatten beschlossen, den Kindern nichts zu sagen, sie schauten sich gerade einen Zeichentrickfilm an, und wir wollten keine unnötigen Szenen heraufbeschwören. Wenn Mowgli endlich sein Dorf wiedergefunden hatte, käme Mama eben morgen zurück.
    Auntie Kate fühlte sich in der Lage, diese Herausforderung zu meistern. Auntie Kate hatte noch nicht alle Geschenke aus der Reisetasche geholt ...«
    Stille.
    »Nur, Mama kam nie mehr zurück. Auch Papa nicht. Auch nicht der Großvater.
     
    Nachts hat das Telefon geklingelt, eine Stimme, die das ›R‹ rollte, hat mich gefragt, ob ich mit Rrravennes, Louis, Rrravennes, Pierre oder Scherrrington, Ellen verwandt sei. Ich bin die Schwester, habe ich geantwortet, daraufhin kam jemand anderes ans Telefon, ein höherrangiger Kollege, und der hat die unangenehme Aufgabe übernommen.
    Hatte der Fahrer zu viel getrunken? War er eingenickt? Die Ermittlungen würden es zeigen, ganz sicher war nur, dass er viel zu schnell gefahren ist und dass der andere, der LKW-Fahrer, der Landmaschinen transportierte, sich hätte besser hinstellen und auch die Warnblinkanlage einschalten müssen, bevor er zum Pinkeln verschwand.
    Als er die Hose wieder zugeknöpft hatte, war hinter ihm nichts mehr sparky.«
     
    Kate war aufgestanden. Rückte mit dem Stuhl näher an ihren Hund heran, streifte die Schuhe ab und schob ihre Füße unter seine gelähmte Seite.
    Bis jetzt hatte Charles sich tapfer gehalten, als er jedoch sah, wie das arme Tier, das nicht mehr mit dem Schwanz wedeln konnte, feierlich zu ihr aufsah, um ihr zu bedeuten, wie gern es ihr noch zu etwas nützlich wäre, war es aus.
    Außerdem hatte er keine Zigaretten mehr.
    Er legte die Hand auf seine geschwollene Wange.
     
    Warum war das Leben so achtlos zu seinen treuesten Dienern?
    Warum?
    Warum sie?
    Er hatte Glück. Musste siebenundvierzig werden, um zu begreifen, was Anouk feierte, wenn sie alles beiseite wischte mit der Begründung, zum Glück seien sie noch am Leben.
    Alle Knöllchen, ihre schlechten Noten, das abgeklemmte Telefon, das kaputte Auto, ihre Geldsorgen und den Wahnsinn der Welt.
    Damals kam es ihm zu einfach vor, etwas feige sogar, als könnten diese drei Worte ihre vielen Schwächen entschuldigen. Sie waren noch am Leben.
    Natürlich. Was sonst?
    Das war doch klar.
    Außerdem zählte das nicht.
    In dem Punkt war sie wirklich anstrengend.
     
    »Ellen und ihr Schwiegervater waren auf der Stelle tot. Pierre, der hinten saß, hatte seine Einlieferung ins Krankenhaus von Dijon abgewartet, um den Kollegen seine Eherbietung zu erweisen. Ich hatte schon oft genug Gelegenheit – schmerzverzerrtes Gesicht – den Unfallhergang ausführlich zu schildern , das können Sie

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