Alles Glück kommt nie
sich sicher vorstellen. Aber in Wirklichkeit habe ich nie etwas gesagt.
Sind Sie noch da, Charles?«
»Ja.«
»Und Ihnen? Darf ich?«
Er nickte. War zu ergriffen, wollte nicht riskieren, dass sie seine Stimme hörte.
Mehrere Minuten verstrichen. Er glaubte schon, sie hätte es sich anders überlegt.
»Im tiefsten Innern glauben Sie nicht, was man Ihnen da erzählt hat, es kann einfach nicht sein, ist ein Traum. Sie legen sich also wieder hin.
Natürlich geht es nicht so einfach, und Sie sind den Rest der Nacht völlig neben der Spur, starren das Telefon an und warten darauf, dass Hauptwachmeister Dingsbums noch einmal anruft, um sich zu entschuldigen. Hörrren Sie, es liegt ein Irrrtum vor, die Leichen wurrrden verwechselt. Aber nein, die Erde drehte sich weiter. Die Wohnzimmermöbel nahmen ihren Platz wieder ein, und ein neuer Tag stürzte sich auf Sie.
Es ist fast sechs Uhr, und Sie gehen durch die ganze Wohnung, um das Ausmaß des Dramas zu ermessen. Samuel in einem blauen Zimmerchen, seit gestern sechs, die Stirn an seinen teddy bear gedrückt, die Hände weit geöffnet. Alice in einem anderen Zimmerchen, in Rosa gehalten, dreieinhalb, und schon untrennbar mit ihrem Daumen verbunden. Und neben dem Elternbett Harriet, acht Monate, die die Augen aufreißt, als Sie sich über ihren Stubenwagen beugen, und die schon, das sehen Sie genau, ein bisschen enttäuscht ist, weil sie Ihr verschwommenes Gesicht erkennt und nicht das ihrer Mutter.
Sie nehmen das Kind hoch, machen die Türen zu den anderen Zimmern zu, weil sie anfängt zu wimmern, und um die Wahrheit zu sagen, legen Sie keinen Wert darauf, dass die anderen so bald wach werden. Sie beglückwünschen sich dazu, dass Sie noch wissen, wie viele Löffel Babynahrung in das Fläschchen gehören, Sie setzen sich mit einem Sessel ans Fenster, denn wenn man ihm sowieso die Stirn bieten musste, diesem verfluchten neuen Tag, dann sah man dabei am besten in die Augen eines nuckelnden Babys, und Sie – Sie weinen nicht, Sie sind in diesem Zustand der ...«
»Angststarre«, flüsterte Charles.
» Right. Numb . Sie nehmen es hoch, damit es sein Bäuerchen macht, und Sie tun ihm weh, weil Sie sich so fest an es klammern, als wäre dieses kleine burp das Allerwichtigste auf der Welt. Das Letzte, woran Sie sich noch festhalten können. Pardon, sagen Sie zu ihm, pardon. Und Sie legen Ihr Gesicht in seinen Nacken und wiegen es hin und her. Ihnen fällt ein, dass Ihr Flieger morgen geht, dass Ihnen gerade das Stipendium gewährt wurde, auf das Sie so lange gewartet haben, dass Sie einen Verlobten haben, der sich soeben in mehreren tausend Kilometern Entfernung schlafen gelegt hat, dass Sie vorhatten, am kommenden Wochenende zur gardenparty der Millers zu gehen, dass Ihr Vater bald dreiundsiebzig wird und Ihre Mutter, dieses widersprüchliche kleine Vögelchen, noch nie in der Lage war, für sich selbst zu sorgen, dass ... dass kein Mensch am Horizont erkennbar ist. Dass Sie aber vor allem, und das haben Sie noch gar nicht realisiert, Ellen nie mehr wiedersehen.
Sie wissen, dass Sie Ihre Eltern anrufen sollten, und sei es nur, weil irgendjemand jetzt da hinmuss. Fragen beantworten, darauf warten, dass jemand die Reißverschlüsse der Leichenhüllen aufmacht, Papiere unterzeichnen. Sie sagen sich, ich kann Dad nicht schicken, er ist – dieser Situation nicht gewachsen, wohingegen Mama ... Sie sehen die Leute, die mit großen Schritten durch die Straßen eilen, und ärgern sich über ihren Egoismus. Wohin wollen sie? Warum tun sie so, als wäre nichts passiert? Aber Alice holt Sie aus Ihrer Lethargie, und natürlich will sie sofort wissen: Ist meine Mama schon zurück?
Sie bereiten ein zweites Fläschchen, setzen sie vor den Fernseher und sind heilfroh, dass es Sylvester und Tweety gibt. Im Übrigen schauen Sie sich den Film auch an. Samuel kommt, rollt sich neben Ihnen zusammen, schmiegt sich an Sie und sagt: Der ist blöd,Tweety gewinnt immer. Sie geben ihm recht. Er ist sogar total blöd ... Sie bleiben so lange wie möglich mit ihnen vor dem Fernseher sitzen, aber irgendwann gibt esnichts mehr zu sehen. Und außerdem haben Sie ihnen am Vortag versprochen, mit ihnen in den Jardin du Luxembourg zu gehen, darum heißt es jetzt also: Alle Mann anziehen, ja?
Samuel zeigt Ihnen, wohin der Müll kommt und wie die Rückenlehne am Buggy höher gestellt wird. Sie sehen ihm dabei zu und ahnen schon, dass dieser kleine Junge Ihnen noch allerhand beibringen wird, damit
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