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Alles Glück kommt nie

Titel: Alles Glück kommt nie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carl Hanser Verlag
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gesetzt.«
    Charles ließ seine Skizzen ruhen. Ihr Gesicht war zu unbeständig. Vor zehn Minuten war sie so alt wie die ganze Menschheit, und wenn sie jetzt so lächelte, hinten im Bus, war sie noch keine fünfzehn.
    »Am nächsten Tag habe ich einen Vorwand gefunden, um ihn hierherzulotsen, dann habe ich ihn vergewaltigt.«
    Sie sah ihn an: »Äh, er war durchaus einverstanden! Einverstanden, lieb, ein bisschen jünger als ich, ledig, stammte von hier, ein echter Heimwerker, superbegabt mit den Kindern, supergut, was Vögel, Bäume, Sterne, Wanderungen anging.
    Ideal also. Bitte einmal luftdicht verpacken, damit ich ihn einfrieren kann!
    Nein, mit so viel Zynismus konnte ich damals nicht aufwarten. Ich war verliebt. Ich verging vor Liebe, und ich habe ihn wirklich geliebt. Das Leben war so viel leichter geworden. Er ist hier eingezogen. René, der ihn von klein auf kannte, hat mir seinen Segen gegeben, der Große Hund hat ihn nicht gefressen, und er hat alles akzeptiert, ohne sich zu zieren. Es wurde ein schöner Sommer, und Hattie hat zu ihrem zweiten Geburtstag einen richtigen Kuchen bekommen. Es wurde auch ein schöner Herbst. Er hat uns die Natur lieben gelehrt, hat uns geholfen, sie zu beobachten, zu verstehen, und für die Kinder hat er eine Naturzeitschrift abonniert. Mich hat er vielen wunderbaren Leuten vorgestellt, die ich sonst nicht kennengelernt hätte. Hat mich daran erinnert, dass ich noch keine dreißig war, fröhlich, und gern lange schlief.
    Ich habe mich total albern aufgeführt. Habe immer wieder gesagt: ›Ich habe meinen Lehrmeister gefunden, habe meinen Lehrmeister gefunden.‹
    Im Frühjahr wollte ich dann ein Kind. Dafür war es vielleicht noch zu früh, aber es war mir sehr wichtig. Ich hielt es wohl für eine Möglichkeit, mich enger zu binden. An ihn, an Ellens Kinder, an dieses Haus. Ich wollte ein eigenes Kind, um sicherzugehen, dass ich die drei anderen nie verlassen würde. Ich weiß nicht, ob Sie mich verstehen?«
     
    Nein. Charles war zu eifersüchtig, um auch nur den Versuch zu unternehmen, das Ganze auseinanderzuklamüsern.
    »Ich habe ihn wirklich geliebt.«
    Dieses ›wirklich‹ hatte ihn unter seinem Lacoste-Krokodil gezwickt.
    »Er wusste nicht einmal, was es genau bedeuten sollte.
    Und außerdem konnte man von so einem Mistbauern von Grundschullehrer ja durchaus erwarten, dass er gut mit Kindern konnte und den Großen Wagen erkannte!«
    ›Klar verstehe ich das‹, sagte er mit ernster Miene.
    »Es hat nicht geklappt. Eine andere als ich hätte bestimmt mehr Geduld gehabt, aber nach einem Jahr bin ich in die Stadt gefahren, um mich einer Reihe von Untersuchungen zu unterziehen. Drei habe ich, ohne zu murren, übernommen, ich hatte ja wohl das Recht auf ein eigenes, oder?
    Mein Bauch hat mich dermaßen beschäftigt, dass ich alles andere vermasselt habe.
    Er schlief nicht mehr jede Nacht zu Hause? Das lag daran, dass er Ruhe brauchte, um seine Diktate zu korrigieren. Er zog nicht mehr jeden Sonntag mit uns durch die Gegend auf der Suche nach neuen Trödelmärkten? Das lag daran, dass er von unserem Gerümpel allmählich genug hatte. Er war im Bett nicht mehr so zärtlich? Das war aber auch meine Schuld! Mit meinen lusttötenden Berechnungen. Er fand die Kinder ziemlich lästig? Na ja. Sie waren zu dritt. Und verwahrlost? Na ja. Ich war der Meinung, das sei das Leben ihnen schuldig. Ihre Kindheit sollte einem herrlichen Stinkefinger gleichen. Ich sprach zu oft Englisch mit ihnen? Na ja, wenn ich müde bin, spreche ich die Sprache, die mir in den Sinn kommt.
    Und ... so ... weiter ... Er hatte für das nächste Schuljahr seine Versetzung beantragt?
    Tja, da gingen mir die Argumente aus.
    Ich hatte nichts kommen sehen. Ich dachte, er wäre wie ich, seine Worte und seine Versprechungen hätten auch ohne Richter und Gerichtsschreiber Bestand. Trotz der vielen Winter, die hart zu werden versprachen, und einer etwas heftigen Mitgift ...
    Er wurde versetzt, und ich wurde wieder zu dem, was ich war, als ich Ihnen von meiner letzten Zigarette erzählt habe. Ein verlassener Vormund.
    Wie war ich unglücklich, wenn ich daran zurückdenke«, lächelte sie etwas betreten. »Aber was machte ich auch hier?! Warum hatte ich mir vorgenommen, mein Leben in einer solchen Baracke zu verplempern? In meinem Misthaufen einenauf Karen Blixen zu machen. Jeden Abend Holz zu holen und meine Einkäufe immer weiter weg zu erledigen, damit über die vielen Flaschen, die ich zwischen Kekspackungen und

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