Alles Glück kommt nie
Katzenfutter versteckte, keine Bemerkungen gemacht wurden.
Zu dieser Niederlage gesellte sich noch etwas viel Gefährlicheres: der Verlust des Selbstwertgefühls. Okay, unsere Beziehung war gescheitert, aber das passiert vielen. Der Haken waren die drei Jahre, die uns trennten. Ich dachte nicht: Er ist gegangen, weil er mich nicht mehr geliebt hat, ich dachte: Er ist gegangen, weil ich ihm zu alt bin.
Zu alt, um geliebt zu werden. Zu hässlich, zu beladen. Zu alt und zu kalt.
Nicht so richtig glamourös mit meiner Kettensäge, meinen rissigen Lippen, meinen roten Händen und meinem Sechshundert-Kilo-Herd.
Nein. Nicht so richtig.
Ich war ihm nicht böse, dass er gegangen ist, ich konnte ihn verstehen.
Ich hätte es an seiner Stelle auch getan ...«
Sie schenkte sich eine Tasse ein und pustete lange auf das lauwarme Getränk. »Das einzig Positive an der ganzen Geschichte«, scherzte sie, »ist, dass wir die Naturzeitschrift immer noch im Abo bekommen. Kennen Sie den Typ, der die Zeitschrift macht? Diesen Pierre Déom?«
Charles gab ihr zu verstehen, dass nicht.
»Fantastisch. Ein wahres Genie. Es würde mich wundern, wenn es ihm darum ginge, aber eigentlich hätte er einen Ehrenplatz im Pantheon verdient, der Kerl. Egal. Mir stand damals nicht der Sinn danach, eine von einem Eichhörnchen angenagte Nuss von einer Nuss zu unterscheiden, die eine Feldmaus angefressen hatte. Wobei ... Ich musste mich durchaus dafür interessieren, sonst wären wir heute Abend nicht hier.
Das Eichhörnchen spaltet die Nuss, während die Feldmausein fein ziseliertes Loch hineinnagt. Für weitere Details siehe diesen Kamin.
Meine Geschichte war eher eine Geschichte der Feldmaus. Ich war zwar noch ganz, innerlich aber völlig hohl. Der Uterus, das Herz, die Zukunft, das Vertrauen, die Schränke, alles war hohl. Ich rauchte und trank bis spät in die Nacht, und dann, nachdem Alice lesen gelernt hatte, konnte ich nicht mehr weiter in mein Verderben rennen und habe stattdessen eine kleine Depression hingelegt.
Sie haben vorhin gefragt, warum ich so viele Tiere habe, tja, in dem Moment ist es mir klar geworden. Damit ich morgens aufstehe, die Katzen füttere, den Hunden die Tür aufmache, den Pferden Heu bringe und die Kinder verwurstele. Die Tiere halten das Haus am Leben, und mir halten sie die Kinder vom Leib ...
Die Tiere pflanzten sich in der Paarungszeit fort und dachten ansonsten nur ans Fressen. Ein prima Vorbild. Ich las keine Geschichten mehr vor und gab ihnen Phantomküsse, aber jeden Abend, wenn ich die Tür zu ihren Zimmern zumachte, achtete ich darauf, dass jedes Kind seine Lieblingskatze als Wärmflasche hatte.
Ich weiß nicht, wie lange das so weitergegangen wäre, und auch nicht, wohin es geführt hätte. Ich verlor die Bodenhaftung. Wären sie nicht besser in einer richtigen Pflegefamilie aufgehoben? Mit einem normgerechten Papa und einer normgerechten Mama? Täte ich nicht besser daran, alles hinzuschmeißen und mit ihnen in die USA zu gehen? Oder ohne sie ...
Sollte ich ... Ich redete nicht einmal mehr mit Ellen und lief mit gesenktem Kopf durch die Gegend, um ja nicht ihrem Blick zu begegnen.
Eines Morgens rief meine Mutter an. Anscheinend war ich dreißig geworden.
Ach?
Schon?
Erst?
Ich habe mir den Kopf mit Wodka zugedröhnt, um das Ereignis zu feiern.
Ich hatte mein Leben in den Sand gesetzt. Ich war gern bereit, ein Minimum zu garantieren, drei Mahlzeiten am Tag und die Fahrten zur Schule, aber nicht mehr.
Im Falle einer Reklamation wenden Sie sich bitte an den Richter.
In dieser Stimmung bin ich Anouk begegnet, und sie hat mir die Hand auf den Nacken gelegt.«
Charles studierte die Feuerböcke im Detail.
»Und dann, eines Tages, habe ich vom Sekretariat der gynäkologischen Abteilung, bei der ich ein paar Wochen zuvor untersucht worden war, einen Anruf erhalten. Man konnte mir nicht sagen, worum es ging, ich müsse persönlich vorbeikommen. Ich habe mir den Termin notiert und wusste genau, dass ich ihn nicht wahrnehmen würde. Die Frage war nicht mehr aktuell und würde es vermutlich auch nie wieder sein.
Trotzdem bin ich hingegangen. Um mal rauszukommen, auf andere Gedanken zu kommen, und weil Alice Farbtuben oder irgendwelche anderen ausgefallenen Dingen brauchte, die hier beim besten Willen nicht aufzutreiben waren.
Der Arzt hat mich begrüßt. Er hat meine Röntgenaufnahmen kommentiert. Meine Eileiter und mein Uterus seien völlig verkümmert. Winzig, verstopft, unfruchtbar.
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