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Alles Glück kommt nie

Titel: Alles Glück kommt nie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carl Hanser Verlag
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Garten.
    Er stellte ein Tablett zusammen und ging zu ihr.
     
    Sie legte die Gartenschere beiseite, lief barfuß durch das taubedeckte Gras, war noch zerknautschter als die Bäckerin und vertraute ihm an, dass sie in der Nacht kein Auge zugetan habe.
    Zu viele Erinnerungen.
    Nahm die Schale Kaffee in die Hand, um sich zu wärmen.
     
    Der Sonnenaufgang lief in aller Stille ab. Kate hatte nichts mehr zu sagen und Charles zu viel zu entwirren.
    Wie Katzen kamen die Kinder, um sich an sie zu schmiegen. »Was werden Sie heute machen?«, fragte er.
    »Ich weiß es nicht.« Ihre Stimme war etwas traurig. »Und Sie?«
    »Ich habe viel zu tun.«
    »Das kann ich mir vorstellen. Wir haben Sie vom rechten Weg abgebracht –«
    »Das würde ich so nicht sagen.«
    Und da die Unterhaltung einen schwermütigen Ton anzuschlagen schien, fügte er etwas fröhlicher hinzu: »Ich muss morgen nach New York, und ausnahmsweise mal als Tourist. Eine Abendveranstaltung zu Ehren eines älteren Architekten, den ich sehr mag.«
    »Ist das wahr? Sie fliegen nach New York?«, fragte sie etwas heiterer. »Was für ein Glück! Wenn ich den Mut dazu hätte, würde ich Sie um einen Gefallen –«
    »Haben Sie den Mut, Kate, haben Sie den Mut. Was kann ich tun?«
    Sie schickte Nedra los, etwas von ihrem Nachttisch zu holen, das sie ihm dann hinhielt.
    Es war eine kleine Blechdose mit einem Dachs auf dem Deckel.
    Badger
    Healing balm
    Relief for hardworking hands
    Linderung für hart arbeitende Hände.
     
    »Ist das Dachsfett?«, fragte er amüsiert.
    »Nein, Biberfett, glaube ich. Jedenfalls ist mir noch nichts Besseres untergekommen. Ich habe es mir immer von einer Freundin schicken lassen, aber sie ist weggezogen.«
    Charles drehte die Dose um und übersetzte laut: »›Paul Bunyon hat einmal gesagt: Geben Sie mir genug Badger, und ich stopfe damit die Risse im Grand Canyon.‹ Mann. Was für ein Anspruch. Und wo finde ich das Zeug? In einem Drugstore?«
    »Kommen Sie auch in die Nähe des Union Square?«
    »Ja, ganz sicher«, log er.
    »Sie lügen.«
    »Ganz sicher nicht.«
    »Lügner.«
    »Kate, ich habe ein paar Stunden zur freien Verfügung und würde mich geehrt fühlen, wenn ich sie Ihnen widmen dürfte. Direkt am Union Square?«
    »Ja, dort ist ein kleiner Laden, der Vitamin Shoppe heißt, glaube ich. Sonst vielleicht in den Whole Foods.«
    »Perfekt. Das kriege ich hin.«
    »Und –«
    »Und?«
    »Wenn Sie weiter den Broadway hinuntergehen, finden Sie die Buchhandlung Strand . Falls Sie zwei Minuten übrig haben, könnten Sie dann einmal rasch durch alle Abteilungen streifen? Davon träume ich schon so lange –«
    »Soll ich Ihnen ein bestimmtes Buch mitbringen?«
    »Nein. Einfach nur die Stimmung. Betreten Sie den Laden, gehen Sie nach links bis zum Ende durch, dorthin, wo die Biographien stehen, schauen Sie sich alles genau an, holen Sie tief Luft und denken Sie dabei an mich.«
    Tief Luft holen und dabei an Sie denken? Mmm. Muss ich dafür so weit fahren?
     
    Auf der Suche nach dem Badezimmer fand er Yacine, in ein Wörterbuch vertieft.
    »Kannst du mir sagen, wie hoch der Fuji ist?«
    »Äh, Moment. ›Höchster Punkt Japans, erloschener Vulkan, 3776 Meter.‹«
    »Erloschen? Wer’s glaubt.«
     
    Er duschte und fragte sich dabei, wie so eine große Familie es mit einem derart spartanischen Bad aushielt. Nicht die Spur einer Schönheitscreme. Er ging durch viele Zimmer, umarmtedie Kleinen und bat sie, den Großen einen Gruß auszurichten, wenn sie aufwachten.
    Suchte überall nach Kate.
    »Sie ist zu Totette gegangen, um ihr Blumen zu bringen«, berichtete Alice. »Ich soll dir von ihr tschüss sagen.«
    »Und – wann kommt sie wieder?«
    »Keine Ahnung.«
    »Oh.«
    »Ja, darum hat sie gesagt, ich soll dir in ihrem Namen tschüss sagen.«
     
    Sie hatte es also auch vorgezogen, keine unnötige Szene heraufzubeschwören ...
     
    Dieser unmögliche Abschied kam ihm sehr brutal vor.
     
    Unter den Eichen dachte er an den von Ellen, während Balu und Mowgli sich Gedanken über die Heilkräfte der Gemütlichkeit machten.
    Er atmete aus, hatte Schmerzen, bog nach rechts und kehrte zurück auf den Asphalt.

Teil 4

1
    »PARIS 389«
     
    Während der ersten dreihundertachtundachtzig Kilometer dachte Charles an nichts anderes als an diese noch warmen Stunden. Er schaltete auf Autopilot und wurde von einer Fülle von Bildern heimgesucht.
    Nedra als verletztes Vögelchen mit aufgesperrtem Kiefer, die Pferdenamen, Lucas’ Lächeln im

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