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Alles Glück kommt nie

Titel: Alles Glück kommt nie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carl Hanser Verlag
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einfach nur die Zeiten getauscht und zwinge ihn, während der Ferien ein paar Tage bei seiner Familie zu sein. Wohingegen sie ... Keine Ahnung. Ich versuche, eine Adoption hinzukriegen, aber auch das ist die Hölle. Immer diese Normen, die zu erfüllen sind. Ich müsste mir einen lieben Ehemann suchen, der im öffentlichen Dienst arbeitet«, lächelte sie, »am besten einen Grundschullehrer.«
    Sie beugte sich vor und räkelte sich vor dem Feuer. »Sooooo«, gähnte sie, »jetzt wissen Sie alles.«
    »Und die drei anderen?«
    »Ja?«
    »Die hätten Sie auch adoptieren können?«
    »Ja. Ich habe es erwogen. Zum Beispiel, um meinen Gegenvormund loszuwerden, aber –«
    »Aber?«
    »Ich hätte das Gefühl, ihre Eltern ein zweites Mal umzubringen.«
    »Haben die Kinder Sie nie darauf angesprochen?«
    »Doch. Natürlich. Das ist bei uns sogar ein Running Gag geworden. ›Ja, ja, ich räume mein Zimmer auf, sobald du mich adoptiert hast‹, und das ist auch gut so.«
     
    Lange Stille.
    »Ich wusste nicht, dass so etwas existiert«, sagte Charles leise.
    »Was denn?«
    »Leute wie Sie.«
    »Und wie recht Sie hatten. Das existiert auch nicht. Das heißt, ich habe nicht den Eindruck zu existieren.«
    »Das glaube ich Ihnen nicht.«
    »Immerhin sind wir seit neun Jahren kaum hier rausgekommen. Ich versuche zwar immer, ein bisschen Geld auf die Seite zu legen, um mit ihnen eine größere Reise zu machen, aber ich schaffe es nicht. Vor allem, wo ich letztes Jahr dieses Haus gekauft habe. Es war eine fixe Idee von mir. Ich wollte unbedingt, dass wir ein eigenes Zuhause haben. Ich wollte unbedingt, dass die Kinder später sagen können, woher sie kommen. Ich werde sie ermuntern, irgendwann wegzugehen, aber ich wollte unbedingt, dass sie diese Basis haben. Ich habe René jeden Tag damit in den Ohren gelegen, bis er eingeknickt ist. Immerhin, stöhnte er, ist es seit dem Großen Krieg in Familienbesitz. Warum sollte sich daran was ändern? Und er hatte ja auch noch seine Neffen in Guéret.
    Ich habe daraufhin nicht mehr mit ihm Kaffee getrunken,nachdem ich morgens die Kinder in die Schule gefahren hatte, und nach fünf Tagen war er weichgekocht.
    ›Idiot, du weißt doch genau, dass wir deine Neffen sind‹, habe ich ihn freundlich angepflaumt.
    Natürlich musste ich den Richter und meinen lieben Gegenvormund davon in Kenntnis setzen, und sie sind über mich hergefallen. Wie bitte? Ist das denn vernünftig? Und warum eine solche Ruine? Und die Unterhaltskosten?
    O Mann, sie mussten die Winter hier nicht aushalten. Am Ende habe ich nur noch gesagt: Die Sache ist ganz einfach, entweder Sie gestatten mir den Verkauf einer Wohnung für dieses Haus, oder ich gebe Ihnen die Kinder zurück. Die neue Richterin hatte noch viele weitere Baustellen, und die beiden anderen waren so blöd, mir zu glauben.
    Ich bin mit René und seiner Schwester zum Notar gegangen und habe eine langweilige Eigentumswohnung gegen dieses herrliche Reich eingetauscht. Was haben wir an diesem Abend gefeiert. Ich hatte das ganze Dorf eingeladen. Sogar Corinne Le Men.
    Das will was heißen.
    Heute lebe ich von der Miete zweier Wohnungen, die von sehr eifrigen Verwaltern betreut werden. Es gibt immer irgendwelche Reparaturen, Verputzarbeiten und anderen Mist. Well , das ist vielleicht auch gut so. Wer würde sich denn um die wilden Tiere kümmern, wenn wir hier weggingen?«
    Stille.
     
    »Leben? Überleben? Vielleicht. Aber existieren , nein. Ich habe jetzt mehr Muskeln, aber mein armes Gehirn ist dabei zu kurz gekommen. Heute backe ich Kuchen und verkaufe ihn auf einem Schulfest.«
    »Ich glaube Ihnen trotzdem nicht.«
    »Nein?«
    »Nein.«
    »Und Sie haben wieder einmal recht. Klar, von weitem denktman vielleicht, eine Heilige, was? Aber man sollte nicht an die Güte großzügiger Menschen glauben. Im Grunde sind sie die wahren Egoisten.
    Als ich vorhin von Ellen sprach, habe ich schon erwähnt, dass ich eine ehrgeizige junge Frau war.
    Ehrgeizig und sehr hochmütig! Es war lächerlich, aber es war nicht nur ein Scherz, als ich sagte, ich wollte ein für allemal den Hunger ausrotten. Mein Vater hatte uns in toten Sprachen unterrichtet, und meine Mutter war der Ansicht, Mrs. Thatcher habe eine schöne Frisur, und der letzte Hut von Queen Mum in Ascot passe überhaupt nicht zu ihrem Kleid. So war es also nicht weiter verwunderlich, wenn ich im Leben große Hoffnungen hegte, oder?
    Ja, ich war ehrgeizig. Und jetzt? Das Los, das ich aus eigenen Kräften nie erreicht

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