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Alles Glück kommt nie

Titel: Alles Glück kommt nie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carl Hanser Verlag
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erbot sich, ihr ein paar Zeitungen zu kaufen.
    Sie wollte nicht.
    »Dann vielleicht Kaugummis?«
    »Charles«, sie blieb stehen.
    Diese Szene hatte er schon mal erlebt. Er hatte sie schon oft verabschiedet, wenn sie ins Ferienlager fuhr, und wusste, wie dieses kleine Mädchen mit der großen Klappe allen Schneid verlor, je näher sie dem Treffpunkt kamen.
    Er suchte ihre Hand, fühlte sich geschmeichelt, der Besitzer dieses Arms zu sein, und legte sich im Geiste ein paar energische, aber beruhigende Sätze zurecht, die er in ihre Hosentasche stecken wollte.
    »Ja?«
    »Mama hat gesagt, dass ihr euch trennen werdet.«
    Er strauchelte leicht. War gerade von einem Airbus getroffen worden. An der Schläfe.
    »Ach?«
    Diese kleine zerquetschte Silbe, die bedeuten konnte: »Ach? Sie hat es dir also gesagt?« oder: »Ach? Davon weiß ich gar nichts.«
    Er hatte nicht die Kraft, den Großkotz zu spielen: »Davon weiß ich gar nichts.«
    »Ich weiß. Sie wartet ab, bis es dir wieder besser geht, dann sagt sie es dir.«
    Ein ziemlich großes Modell. Dieser A380, was?
    »...«
    »Sie sagt, dass du seit Monaten nicht ganz bei dir bist, aber sobald es dir besser geht, trennt ihr euch.«
    »Ihr – ihr führt schon merkwürdige Gespräche für dein Alter«, brachte er schließlich heraus.
     
    Vor ihnen erhob sich das Terminal.
    »Charles?«
    Sie blieb stehen.
    »Mathilde?«
    »Ich werde bei dir wohnen.«
    »Wie bitte?«
    »Wenn ihr euch wirklich trennt, komme ich mit zu dir, damit du es weißt.«
    Da sie ihm die letzten Worte im Ton eines Cowgirls hingeworfen hatte, das seinen Kautabak ausspuckt, tat er es ihr nach: »He! Ich weiß genau, was du willst! Das sagst du nur, damit ich dir weiterhin die Mathe- und Physikaufgaben löse!«
    » Damned . Wie hast du das durchschaut?«, sie zwang sich zu einem Lächeln.
    Er konnte den Ton nicht halten. Hatte das Fahrwerk eines A380 im Bauch.
    »Selbst wenn es stimmt, du weißt genau, dass das nicht geht. Ich bin ja nie da.«
    »Eben drum«, scherzte sie weiter.
    Da er nicht mitspielte, fügte sie hinzu: »Das ist eure Sache,ich halte mich da raus, aber ich ziehe zu dir. Damit du es weißt.«
     
    Ihr Flug wurde zum Boarding aufgerufen.
    »So weit sind wir noch nicht«, flüsterte er ihr ins Ohr, als er sie in die Arme schloss.
    Sie antwortete nicht. Fand ihn sicherlich reichlich naiv.
    Sie ging durch die Absperrung, drehte sich um und warf ihm einen Kuss zu.
    Den letzten ihrer Kindheit.
     
    Ihr Flug verschwand von der Anzeigetafel.
    Charles stand noch da. Hatte sich keinen Millimeter bewegt, wartete auf die Einsatzwagen. Seine Hosentasche piepte: Sie haben eine neue Nachricht.
    »I LAV U.«
    Rutschte über die Tasten und musste sich die Hand am Herzen trocken wischen, um einen zweiten Versuch unternehmen zu können:
    »MI 2«
     
    Dann sah er auf die Uhr, machte kehrt, rempelte jede Menge Leute an, verfing sich mit den Füßen in irgendwelchen Taschen, brachte seine zur Gepäckaufbewahrung, rannte zum Taxistand, drängelte sich vor, wurde angepflaumt, erblickte ein Motorradtaxi und bat den Fahrer, ihn zu dem Fass zu bringen, das soeben übergelaufen war.
    Nie mehr in seinem ganzen Leben würde er taumelnd in ein Flugzeug steigen.
    Nie mehr.

5
    Etwa hundert Meter von dem Gymnasium entfernt, an dem sie das nächste Schuljahr verbringen würde, öffnete er die Tür zu einem Maklerbüro, gab an, dass er in der Nähe eine Zweizimmerwohnung suchte, ließ sich Fotos zeigen, machte klar, dass er keine Zeit hatte, entschied sich für die hellste, ließ seine Karte da und unterschrieb einen dicken Scheck, um ernst genommen zu werden.
    In zwei Tagen käme er wieder.
     
    Er setzte den Helm wieder auf und bat den Fahrer, ihn zum anderen Ufer zu fahren.
    Vertraute ihm seine Aktentasche an und versicherte ihm, dass er nicht lange brauche.
     
    Der berühmte beige Teppichboden von Chanel. Er fühlte sich um zehn Jahre zurückversetzt, als er damals mit seinen breiten Tretern ins Visier des diensthabenden Kellners geraten war.
    Er ließ sie rufen. Fügte hinzu, es sei dringend.
    Sein Handy klingelte:
    »Hat sie den Flieger verpasst?«, fragte sie besorgt.
    »Nein, aber kannst du mal runterkommen?«
    »Ich bin mitten in einer Besprechung.«
    »Dann komm nicht runter. Ich wollte dir nur sagen, dass es mir besser geht.«
    Hörte, wie die Rädchen unter ihrer Haarschleife rotierten.
    »Äh. Ich dachte, du müsstest auch zum Flieger?«
    »Bin schon auf dem Weg. Mach dir keine Sorgen. Es geht mir besser,

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