Alles Glück kommt nie
jedoch die Texte einzuprägen, fing von vorn an, ließ sich nach hinten fallen und horchte auf die Geräusche von draußen. Er richtete sich wieder auf, versuchte es erneut, setzte die Brille ab, rieb sich die Augen, schloss den Aktendeckel und legte die Hände darauf.
Sah nur ihr Gesicht.
Wäre für sein Leben gern müde gewesen.
Putzte sich die Zähne, machte vorsichtig die Tür zum ehelichen Schlafzimmer auf, sah im Halbdunkel Laurence’ Rücken, legte seine Klamotten auf den Sessel, der ihm zugeteilt worden war, hielt die Luft an und hob die Bettdecke auf seiner Seite hoch.
Dachte an seine letzte Pleite. Atmete ihr Parfüm, ihre Wärme ein. Sein Herz war völlig durcheinander. Wollte gern lieben.
Er schmiegte sich an sie, streckte den Arm aus und schob ihn zwischen ihre Beine. Wie immer war er von ihrer zarten Haut überwältigt, nahm ihren Arm hoch, fuhr mit der Zunge in ihre Achselhöhle und wartete darauf, dass sie sich umdrehte und sich ihm ganz öffnete. Er küsste sich die Wölbung ihrer Hüfte hinunter, packte sie am Ellbogen, damit sie sich nicht bewegen konnte, und ...
»Wonach riecht das hier?«, fragte sie.
Er verstand die Frage nicht, zog die Decke über sich und ... »Charles? Was ist das für ein Geruch?«, fragte sie noch einmal und warf das Federbett von sich.
Er seufzte. Löste sich von ihr. Sagte, das wisse er auch nicht. »Ist es vielleicht deine Jacke? Riecht deine Jacke nach Lagerfeuer?«
»Kann sein.«
»Nimm sie bitte weg. Das irritiert mich.«
Er stand auf. Sammelte seine Klamotten zusammen.
Warf sie in die Badewanne.
Wenn ich jetzt nicht zurückgehe, gehe ich nie mehr zurück. Ging zurück, legte sich wieder hin und wandte ihr den Rücken zu.
»Was ist jetzt?«, fragten ihre Fingernägel und zogen lange Achten auf seiner Schulter.
Nichts ist. Er hatte ihr bewiesen, dass er noch einen Steifen bekommen konnte. Was den Rest anging, konnte sie ihn mal.
Die großen Achten verwandelten sich zunächst in kleine Nullen und verschwanden dann ganz.
Wieder einmal schlief sie zuerst ein.
Mühelos.
Sie hatte sich das Ritz und hysterische Koreanerinnen angetan.
Charles wiederum zählte Schäfchen.
Und Kühe, und Hühner, und Katzen, und Hunde. Und Kinder.
Und beauty marks .
Und Kilometer …
Er stand früh auf, schob einen Zettel unter Mathildes Tür durch. »Um elf Uhr unten. Vergiss deinen Ausweis nicht.« Es folgten drei Kreuze, denn so küsste man sich dort, wohin sie heute wollte.
Machte das Tor auf.
Holte tief Luft.
4
Wir haben fast noch eine ganze Stunde, willst du was essen?«
»...«
Das hier war nicht seine normale Mathilde.
»He!«, rief er und packte sie im Nacken, »bist du gestresst, oder was?«
»Ein bisschen«, hauchte sie an seine Brust, »ich weiß gar nicht, worauf ich mich einlasse.«
»Aber du hast mir doch Fotos gezeigt, die sehen sehr kind aus, diese MacDingsda.«
»Ein Monat ist trotzdem lang –«
»Ach was. Der geht ratzfatz vorbei. Und außerdem ist Schottland wunderschön. Es wird dir gefallen. Komm, wir essen noch was.«
»Ich habe keinen Hunger.«
»Dann lass uns was trinken. Komm mit.«
Sie bahnten sich einen Weg zwischen Koffern und Kulis hindurch und suchten sich einen Platz in der hintersten Ecke eines ziemlich miesen Schuppens. Nur in Paris waren die Flughäfen so dreckig, dachte er. War es die Fünfunddreißig-Stunden-Woche, die famousfrenchy Lässigkeit oder die Gewissheit, in Reichweite mürrischer Taxen die schönste Stadt der Welt zu haben? Er wusste es nicht, es deprimierte ihn aber immer wieder.
Sie kaute auf ihrem Strohhalm herum, warf besorgte Blicke um sich, hatte die Uhr auf ihrem Handy im Blick und keine Stöpsel im Ohr.
»Mach dir keine Sorgen, Liebes, ich habe noch nie im Leben einen Flieger verpasst.«
»Das stimmt! Kommst du mit?«, gab sie vor, ihn misszuverstehen.
»Nein«, antwortete er und schüttelte den Kopf, »nein. Aber ich schicke dir jeden Abend eine SMS .«
»Du promise ?«
»I promise.«
»Aber nicht auf Englisch, hörst du?«
Sie gab sich alle Mühe, entspannt zu wirken.
Charles auch.
Es war das erste Mal, dass sie so weit und so lange wegfuhr.
Die Aussicht auf diese Ferien flößte ihm schreckliche Angst ein. Ein Monat in der Wohnung, zu zweit und ohne dieses Kind. Mein Gott ...
Er nahm ihr den Rucksack aus der Hand und begleitete sie bis zu den Röntgenstrahlen.
Weil sie sehr langsam lief, war er überzeugt, dass sie sich die Auslagen anschaute. Er
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