Alles Glück kommt nie
...
Stopp, Charles, stopp. Du bist hier derjenige, der stinkt.
Und weil dieses endlose Geplapper zwischen seinem Cogito und seinem Ergo sum ihn nicht weiterbrachte und weil er vor allem viel zu tun hatte, zog er es vor zu arbeiten.
Der Blödmann.
Zum Glück gab es Claire.
8
Dort müssen wir unbedingt mal zusammen hin, hatte sie gesagt. Es schmeckt nicht nur köstlich, der Typ ist auch noch genial.
»Welcher Typ?«
»Der Kellner.«
»Du immer mit deinen Kellnern. Daumen in der Weste, die Hüften unter der enganliegenden weißen Schürze?«
»Ach was, überhaupt nicht. Du wirst schon sehen, er ist ... Ich kann es dir nicht erklären. Ich finde ihn toll. Ein richtiger Upperclass-Aristokrat. Wie aus einer anderen Welt. Eine Kreuzung zwischen Monsieur Hulot und dem Herzog von Windsor.«
Als Charles den Termin in seinem Kalender eintrug, verdrehte er die Augen.
Die Marotten seiner Schwester ...
Sie hatten sich an einem der ersten Augusttage verabredet, so blieb ihnen genug Zeit, ihre Akten zuzuschlagen und ihren jeweiligen Assistenten schöne Ferien zu wünschen. Claire musste am späten Nachmittag zum Bahnhof, um zu einem Soulfestival im schwärzesten Périgord zu fahren.
»Bringst du mich zum Zug?«
»Wir nehmen ein Taxi, du weißt doch, dass ich kein Auto habe –«
»Ach ja, das wollte ich dir noch sagen. Wenn du mich am Bahnhof abgesetzt hast, kannst du dich um meine Kiste kümmern? Mein Parkabo ist abgelaufen.«
Charles verdrehte noch einmal die Augen. Es lag ihm nicht, sich mit den Pariser Parkuhren herumzuschlagen. Gut. Erwürde das Auto bei seinen Eltern abstellen. Er hatte sie so lange nicht gesehen.
»Okay.«
»Hast du dir die Adresse notiert?«
»Ja.«
»Alles in Ordnung bei dir? Du klingst so bedrückt. Ist Mathilde zurück?«
Yes, she is , aber er hatte sie noch nicht gesehen. Laurence hatte sie abgeholt, und die beiden waren direkt nach Biarritz gefahren.
Charles hatte noch nicht die Gelegenheit oder die Kraft gehabt, seiner Schwester von dem Wendepunkt in seiner Ehe zu erzählen. »Du, wir müssen Schluss machen, ich habe noch einen Termin«, antwortete er.
*
Besser konnte man es nicht beschreiben: die Unbeholfenheit, die Poesie, die schlaksige Figur eines Monsieur Hulot, aber die Klasse und die Blume im Knopfloch von His Royal Highness Edward .
Er breitete seine langen Arme aus und empfing sie in seinem winzigen Bistro wie auf der Freitreppe von Saint Jame’s Palace, kommentierte Claires neues Kleid in druckreifen Alexandrinern und wies ihnen leicht stotternd einen Tisch am Fenster zu.
»Was guckst du so?«, fragte sie.
»Die Zeichnungen ...«
Sie senkte ihre Speisekarte und folgte dem Profil ihres Bruders.
»Was meinst du, ist das ein Mann oder eine Frau?«, fragte er. »Wer? Der Rücken dort?«
»Nein. Die Hand, die den Rötelstift geführt hat.«
»Keine Ahnung. Fragen wir ihn.«
Tati von Windsor brachte ihnen unaufgefordert einen Rotwein und hatte sich gerade umgedreht, um die Schiefertafel zu kommentieren, als aus der Durchreiche ein Brummen zu hören war: »Telefon!«
Er bat sie, ihn zu entschuldigen, und eilte zu dem Handy, das ihm jemand hinhielt.
Charles und Claire sahen, wie er errötete, erblasste, wie sein Geist von einer unendlichen Verwirrung ergriffen wurde, wie er die Hand zur Stirn führte, das Telefon losließ, sich bückte, seine Brille verlor, sie schief wieder aufsetzte, zur Tür stürzte, seine Jacke vom Garderobenständer zerrte und die Tür hinter sich zuschlug, während besagter Garderobenständer auf den Boden knallte, und eine Tischdecke, eine Flasche, zwei Gedecke, einen Stuhl und den Schirmständer mit sich riss.
Stille im Raum. Alle sahen sich bestürzt an.
Ein Rosenkranz an Flüchen drang vom Herd herüber. Der Koch erschien auf der Bildfläche, ein junger Typ mit mürrischem Gesichtsausdruck, der die Hände an seiner Schürze trockenrieb, bevor er sein Handy aufhob.
Immer noch vor sich hin brummelnd, legte er es auf die Theke, bückte sich, holte eine Magnumflasche Champagner aus dem Kühlschrank und nahm sich viel Zeit, um den Korken zu lösen.
Bis sich seine vergrämte Stirn in etwas verwandelt hatte, was mit einem Lächeln zu tun haben konnte. »Gut«, sagte er und wandte sich an seine Gäste, »sieht so aus, als hätte mein Kompagnon der Krone einen Erben geschenkt ...«
Der Korken knallte.
Er fügte hinzu: »Diese Runde geht auf Onkel Franck.«
Er hielt Charles die Flasche hin und bat
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