Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Alles Glück kommt nie

Titel: Alles Glück kommt nie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carl Hanser Verlag
Vom Netzwerk:
fast jeden Abend mit dem jungen Marc. Entdeckte am Ende der unglaublichsten Sackgassen Nebenräume diverser Schuppen, die noch nach Mitternacht geöffnet waren, sie aßen schweigend und tranken sich durch die Biere der ganzen Welt.
    Am Ende beschlossen sie immer, trunken vor Erschöpfung, einen Ratgeber schreiben zu wollen. Das Gefälle einer durstigen Kehle oder Sanierungsgebiete am Abgrund der Glottis , damit die Leute endlich, endlich ihr wahres Genie erkannten!
    Anschließend setzte Charles ihn per Taxi ab und rollte sich auf einer Matratze in der Ecke eines leeren Zimmers zusammen.
    Eine Matratze, ein Laken, ein Stück Seife und ein Rasierapparat, das war alles, was er im Augenblick besaß. Er hörte Kates Stimme: »Dieses Robinsonleben hat uns alle gerettet ...«, schlief nackt, stand mit den ersten Sonnenstrahlen auf und hatte das Gefühl, die Brücke seines Lebens in Angriff zu nehmen.
     
    Er telefonierte mehrmals mit Mathilde, teilte ihr mit, dass er in der Rue Lhomond ausgezogen war und auf der anderen Seite am Fuße von Sainte-Geneviève kampierte.
    Nein, er hatte noch nicht festgelegt, welches ihr Zimmer wäre.
    Wartete ihre Rückkehr ab.
     
    Er hatte noch nie so lange Gespräche mit ihr geführt und stellte fest, wie reif sie in den letzten Monaten geworden war. Sie erzählte von ihrem Vater, von Laurence, von ihrer jüngeren Halbschwester, fragte ihn, ob er Led Zeppelin live erlebt habe, warum Claire keine Kinder habe und ob diese Geschichte mit der Tür stimme?
     
    Zum ersten Mal erzählte Charles einem Menschen, der sie nicht gekannt hatte, von Anouk. In der Nacht, lange nachdem er sich mit Küsschen verabschiedet hatte, kam es ihm ganz natürlich vor. Dass er sie mit einer Seele geteilt hatte, die im selben Alter war wie er damals ...
    »Hast du sie denn von ganzem Herzen geliebt?«, hatte sie ihn schließlich gefragt.
    Und da er nicht sofort geantwortet hatte, weil er noch nach einem anderen Wort suchte, das zutreffender, präziser, weniger kompromittierend gewesen wäre, hörte er ihr ernüchtertes Gemurmel, das ihm jene Ohrfeige versetzte, auf die er seit über zwanzig Jahren gewartet hatte, um wieder zu sich zu kommen: »Na klar, bin ich blöd. Womit kann man sonst lieben?«
     
    *
     
    Am 17. drückte er zum letzten Mal die enorme Pranke seines russischen Fahrers. Er hatte sich zwei Tage lang die wenigen Haare gerauft, die ihm auf dieser Phantombaustelle noch geblieben waren. Páwlowitsch war verschwunden, die meisten Leute waren zu Bouygues übergelaufen, diejenigen, die geblieben waren, drohten damit, alles zu sabotieren, wenn sie nicht síju minútu ihr Geld bekamen, zweihundertfünfzig Kilometer Kabel waren auf zwölf zusammengeschmolzen, und da war immer noch diese Genehmigung, die ...
    » Welche Genehmigung?«, tobte er und bemühte sich nicht einmal, ins Englische zu switchen. Welche Erpressung folgte jetzt schon wieder? Wie viel wollt ihr jetzt noch haben, verdammtnoch mal? Und wo war dieser Arsch von Páwlowitsch abgeblieben? War er etwa auch bei Bouygues?
     
    In dem ganzen Projekt war von Anfang an der Wurm drin gewesen. Dabei war es nicht einmal ihr eigenes, ein Freund von Philippe, ein Italiener, hatte sie angefleht, l’onore e la reputazione e le finanze e lo studio e la famiglia e la Santa Vergine zu retten. Es hatte nur noch gefehlt, dass er sich bekreuzigt und ihre Finger geküsst hätte ... Philippe hatte eingewilligt, Charles hatte nichts gesagt.
    Vermutete dahinter eine Art Drei-Banden-Billard, um das nur dieses unbestechliche Genie von Komplize wusste. Diese Baustelle zu retten war gleichbedeutend mit Dingsda in die Tasche stecken, der wiederum der rechte Arm von Soundso war, der wiederum 10000 Quadratkilometer zu dezentralisieren hatte und ... Kurzum, Charles hatte die Pläne gelesen, das Unterfangen für ganz einfach gehalten, hatte seinen vergilbten Tolstoj wieder hervorgeholt und war wie der kleine Kaiser mit sechshunderttausend Mann in den Kampf gezogen, um ihnen zu zeigen, was für gewiefte Taktiker sie waren.
     
    Und wie jener war er vernichtend geschlagen worden.
    Nein, stimmt nicht. Ihm war alles total egal. Er hatte nur Viktors Hand ziemlich lange gedrückt und gespürt, wie ihre Fingerglieder und ihr Lächeln ein wenig nachgaben. In einem anderen Leben wären sie gute Kameraden gewesen.
    Hielt ihm dann das Bündel Rubel hin, das er noch bei sich trug. Der andere sträubte sich.
    »Für den Russischunterricht –«
    »Njet, njet« , zerquetschte ihm weiterhin

Weitere Kostenlose Bücher