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Alles Glück kommt nie

Titel: Alles Glück kommt nie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carl Hanser Verlag
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Er legte sie alle nebeneinander auf den Tisch. So, wie es seine Art war, methodisch und nach Kategorien geordnet.
    Alle Formen waren mehrfach vertreten, bis auf das Herz, das gab’s nur einmal.
    War das ein Zeichen? Es war ein Zeichen. Es war ein Zeichen!
    Die Bezeichnung »Einfaltspinsel« konnte in der Situation wohl nur als Kompliment durchgehen, oder?
     
    Dear Charles,
    ich habe den Teig gemacht, Hattie und Nedra haben die cookies gebacken,Alice hat die Augen und Schnurrbärte hinzugefügt, Yacine hat Ihre Adresse ausfindig gemacht (es ist doch Ihre Adresse?), und Sam hat alles zur Post gebracht ...
    Thanks.
    I miss you.
    We all miss you.
    K.
     
    Er probierte kein Einziges, reihte sie wieder nebeneinander auf, diesmal stehend auf dem Kamin dieses Zimmers, in dem er wohnte und beim Einschlafen an sie dachte.
    An die Gestalt, die er annehmen würde, wenn sie als Ausstechform zu ihm käme.
     
    Am nächsten Morgen zeichnete er den Kamin inmitten der Leere und schrieb dazu: Sie fehlen mir auch.
    Und was sie hinsichtlich der sprachlichen Unschärfe des französischen Worts für »Herd« gesagt hatte, empfand er selbst in seiner Sprache als wohltuend.
    Dieses »Sie« konnte you oder you bedeuten.
    Das durfte sie sich aussuchen.
    Er hätte das Visier weiter aufmachen können, weiter aufmachen müssen, wusste aber nicht, wie das ging.
    Seine Trennung von Laurence, so willkommen sie auch war, hatte in seinem Mund einen schalen Beigeschmack von Willenlosigkeit hinterlassen.
    Wieder einmal hatte er sich hinter seinem Tisch, seinen Perspektiven und seinem AutoCAD in Sicherheit gebracht. Diese Arbeitssoftware, bei der alles perfekt war, weil virtuell. Er hatte alles woandershin projiziert, um nichts selbst ausarbeiten zu müssen, und indem er sich auf seine Höhenunterschiede stützte, war er sicher, nicht zu straucheln.
     
    Er rechnete. Wieder und wieder.
    Dachte unablässig an Kate, aber niemals richtig.
    Es war – wobei er sich außerstande sah, es zu erklären – wie ein Licht. Als könnte ihn allein das Wissen darum, dass es sie gab, auch weit weg von ihm, auch außerhalb von ihm, beruhigen. Natürlich kamen ihm bisweilen auch Gedanken körperlicherer Natur, aber nicht so oft. Er stilisierte sich zum Helden, wenn er davon träumte, mit ihr Kekse auszustechen. In Wahrheit fühlte er sich – wie könnte man das ausdrücken – beeindruckt vielleicht. Ja, genau, impressed war das Wort. Da konnte sie sich noch so sehr bemühen, ihm ihre Unabhängigkeit zu zeigen, schwitzen, rülpsen, ihn mit erhobenem Ring zum Teufel jagen, schmollen, meckern, fluchen, sich in den Ärmel schneuzen, trinken like a fish , sich gegen das Schulwesen auflehnen, das Jugendamt an der Nase herumführen, ihre Rundungen anprangern, ihre Hände, ihren Stolz, sich ständig schlechtmachen und ihn ohne Gruß zurücklassen – impressed passte sehr gut.
    Es war bescheuert, es war schade, es war lähmend, aber so war es. Wenn er an sie dachte, sah er eine ganze Welt vor sich, eher als eine Frau mit sternförmiger Narbe.
    Bei näherem Nachdenken hatte sie im Übrigen von Anfang an die Rollen verteilt. Er war der Fremde, der Besucher, the explorer , Kolumbus, der hier gelandet war, weil er sich im Weg geirrt hatte.
    Nur weil ein Mädchen schiefe Zähne hatte und eine Mutter, die sich noch mehr querstellte.
    Und indem sie ihn, ohne sich zu verabschieden, ziehen ließ, hatte sie den Kompass wissentlich manipuliert.
     
    Womit wir wieder bei den Gebrauchsanweisungen wären. Was hatte es eigentlich mit dieser Brücke auf sich, diesem Klosterleben, dieser Großen Askese? Dir fehlt deine Daunen-Bettwäsche, stimmt’s?
    Nein, es ist nur ...
    Was denn?
    Ich habe Rückenschmerzen, verdammt noch mal. Heftige Rückenschmerzen.
    Kauf dir ein Bett!
    Das ist es nicht allein.
    Was denn noch?
    Schuldgefühle.
    Aaaaaah! Na dann, viel Glück. Dafür gibt es nämlich keine Gebrauchsanweisung, du wirst schon sehen.
    Nein?
    Nein. Wenn du eine suchst, findest du sie bestimmt, die Händler im Tempel sind überall, aber du würdest dein Geld besser sparen und dir stattdessen einen Lattenrost gönnen. Außerdem hat sie dir ja geschrieben, dass du ihr fehlst.
    Pff ... Miss you ist auf Englisch nur so eine Floskel. Wie Take care oder All my love ...
    Sie hat nicht geschrieben Miss you , sondern I miss you .
    Ja, aber ...
    Aber?
    Sie wohnt am Arsch der Welt, hat jede Menge Kinder, Tiere, die dreißig Jahre alt werden können, ein Haus, in dem es nach nassem Hund riecht und

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