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Alles Glück kommt nie

Titel: Alles Glück kommt nie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carl Hanser Verlag
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zaghafter Protest sie alle verblüffte:
    »Ich kenne auch eine Geschichte.«
    Nein, nicht verblüffte. Erstarren ließ.
    Sam, in seiner ihm eigenen Klasse, scherzte, um die Stimmung etwas aufzulockern: »Bist du sicher, dass es eine Horrorgeschichte ist, Nedra?«
    Sie nickte.
    »Wenn es nämlich keine ist, würdest du ausnahmsweise besser den Mund halten.«
    Das anschließende Gelächter ermunterte sie, weiterzureden. Charles suchte Kates Blick.
    Was hatte sie letzte Nacht gesagt? Numb?
    She was numb.
    Numb und mit Habacht-Grübchen durchsetzt.
    »In der Geschichte geht es um einen Recklwum...«
    »He?«
    »Was?«
    »Du musst lauter sprechen, Nedra!«
    Das Feuer, die Hunde, die Raubvögel, und sogar der Wind hingen an ihren Lippen.
    Sie räusperte sich: »Um einen, äh, um einen Regenwurm.« Kate hatte sich niedergekniet.
    »Also, äh, an einem Morgen geht er nach draußen und trifft einen anderen Regenwurm. Er sagt zu ihm: Schönes Wetter heute? Aber der andere antwortet nicht. Er wiederholt: Schönes Wetter heute? Immer noch keine Antwort.«
    Sie war schwer zu verstehen, weil sie immer leiser wurde und sich keiner traute, sie zu unterbrechen.
    »›Wohnen Sie hier in der Gegend?‹, fragt er weiter und windet sich ganz verlegen, aber der andere bleibt stumm. Da ist der Regenwurm genervt zurück in sein Loch gekrochen und hat gesagt: Mist, ich habe schon widemeischwa.«
    »Was?«, hat die ganze Versammlung frustriert protestiert. »Du musst deutlicher sprechen, Nedra! Wir haben nichts verstanden! Was hat er gesagt?«
    Sie hob den Kopf, zeigte ihnen ihr erregtes Gesichtchen, nahm die Strähne, auf der sie herumgekaut hatte, aus dem Mund und wiederholte tapfer: »›Mist, ich habe schon wieder mit meinem Schwanz gesprochen. ‹«
    Die Situation war total niedlich, weil die anderen nicht wussten, ob sie lächeln sollten oder so tun, als wären sie geschockt.
    Um die Stille zu unterbrechen,fing Charles ganz leise an zu klatschen. Die anderen taten es ihm nach, nur brachen sie sich dabei fast die Finger. Daraufhin fingen die Hunde, die aus dem Schlaf geschreckt waren, zu bellen an,fing Ramon an zu iahen,forderten ihn alle Esel im Camp auf, still zu sein. Flüche, Gebrüll, weiteres Gekläff, Peitschenknallen, Blechgeklapper waren plötzlich überall zu hören, und die ganze Nacht feierte die Höflichkeit eines Regenwurms.
    Kate war zu ergriffen, um sich diesem Laola anzuschließen.
     
    Viel später sollte Charles ein Auge aufschlagen, um sich zu vergewissern, dass die Kojoten nicht vor der Tür standen, sollte ihr Gesicht auf der anderen Seite der Asche suchen, sich bemühen, ihre Lider zwischen all den anderen zu erkennen, sollte sehen, wie sie sich einen Spalt weit öffneten, um ihm seinerseits zu danken.
    Vielleicht hatte er es auch nur geträumt. Egal, er tauchte tiefer in seine Himalaja-Federn ein und lächelte vor Glück.
     
    Einst hatte er gewiss geglaubt, er würde Großes bauen und von seinesgleichen Anerkennung erfahren, aber die einzigen Gebäude in seinem Leben, die wirklich zählen würden, damit musste er leben, waren seine Puppenhäuser ...
     
    *
     
    Aus bis dato unerfindlichen Gründen hat Ramon die letzte Furt vor der Ziellinie verweigert. In der er schon zehnmal geplanscht hatte.
    Was war passiert? Keiner weiß es. Vielleicht trieb eine Wasserlinse darin, oder ein zu Späßen aufgelegter Frosch hatte ihm eine lange Nase gemacht. Egal wie, wenige Meter vor dem Titel blieb er stehen und wartete, bis die anderen vorbeigezogen waren, bevor er ihnen schließlich folgte.
     
    Gott weiß, wie sehr er herausgeputzt war. Die Mädchen hatten ihn den ganzen Morgen gebürstet, gekämmt, gewienert und verwöhnt, »jetzt reicht’s«, hatte Samuel gemurrt, »Ramon ist doch kein Polly Pocket.«
    Das Spruchband war nicht zum Einsatz gekommen, es wurden keine Fotos gemacht und auch keine Sonnenbrillen aufgesetzt, um ärgerliche Spiegelungen zu vermeiden, er war vorsichtig und etwas ängstlich angefeuert worden, vergeblich. Er hatte es vorgezogen, seinem Herrchen eine Lektion zu erteilen. Wichtig war, dass man in der Schule Erfolg hatte, und nicht, dass man mit kleinen Wägelchen zwischen zwei bescheuerten Hindernissen herumkurvte.
    Sein Herrchen, das zu diesem Anlass einen Frack seines Urgroßvaters trug und der einzige Teilnehmer war, der keine Peitsche einsetzte.
    Der Stärkste also.
    Das Einzige, was ihm einfiel, als sie sich alle, um Hilfe bemüht, um ihn scharten, einer betrübter als der andere, war: »Ich

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