Alles Glück kommt nie
hast mich noch gar nicht gefragt, was ich will.«
»Ach«, seufzte Charles, »ich weiß doch, was du willst. Du willst, dass es ein bisschen rustikal aussieht, gerade so viel wie nötig, aber so bequem wie möglich. Du willst Beton- oder Holzböden, die etwas rough sind, Stil Güterzug, du willst eine Fußgängerbrücke aus Glas und ein Geländer aus gebürstetem Stahl, dort drüben willst du eine Hightechküche mit Profigeräten, irgendein Teil von Boffi oder Bulthaup, nehme ich an. Du willst Lava, Granit oder Schiefer. Du willst Licht, klare Linien, edle Materialien und ein Ökoabzeichen. Du willst einen großen Schreibtisch, Einbauregale, skandinavische Kamine und bestimmt einen Vorführraum, oder? Und für draußen habe ich den Gartengestalter an der Hand, einen Typ, der dir einen modernen Landschaftsgarten macht mit angesagtenPflanzen und integrierter Berieselungsanlage. Und sogar einen dieser unschätzbaren Pools, die die Ehre retten. Du weißt schon, der ganz natürlich aussieht, aber Trinkwasser enthält ...«
Er strich über die Balken.
»Nicht zu vergessen das gesamte Paket ›Haustechnik, Alarmanlage, elektronisches Türschloss mit Kamera und Automatiktor‹, das versteht sich von selbst ...«
»...«
»Hab ich recht?«
»Äh, ja. Wie kommst du darauf?«
»Tja!«
Er war schon draußen und untersagte es sich, zu dem bevorstehenden Gemetzel zurückzukehren. »Das ist mein Job.«
Er wartete darauf, dass sich der andere über das Schloss aufregte (Hilfe, selbst der Schlüsselbund war ein Muster an Eleganz), seinem Ohr antwortete, seine Leute anmachte und ihm schließlich die Schlüssel übergab.
»Und bis wann machst du mir das?«
»›Das‹ war genau das richtige Wort.«
»Was schlägst du vor?«
»Bis Weihnachten?«
»Kein Problem. Du sollst es haben, dein Ställchen.«
Sein neuer Kunde sah ihn von der Seite an. Fragte sich bestimmt, ob er es mit dem Rind oder dem Esel zu tun hatte.
Charles drückte ihm herzlich die kleine Pranke und ging zu seinem Auto, wobei er seine eigene Hand über das Gitter streichen ließ.
Farbsplitter setzten sich unter den Nägeln fest.
Immerhin, dachte er, als er den Rückwärtsgang einlegte.
Zwischen den Interessen der Russen, denen der HSBC und diesem Idioten mit seinem Handy gab es genug Stoff, über den er auf dem Rückweg nachdenken konnte. Umso besser, denn er steckte im Berufsverkehr fest.
Was für ...
Was für ein Leben ...
Er brauchte einen Moment, bis er kapierte, dass ihm vor allem das Radio auf die Nerven ging. Stopfte den Hörern, denen man das Wort tunlichst nicht erteilen sollte, den Mund und beruhigte sich mit einem Sender, der nur Jazz brachte.
Bang bang, my baby shot me down , jaulte die Sängerin. Bang bang, so leicht ist das nicht, parierte er.
Zu simpel.
»Du bist zu intelligent ...« Was genau hatte sie damit gemeint?
Ja, ich bog mir die Welt zurecht. Ja, ich suchte den Ausgang. Ja, ich kam nach Hause, wenn andere nach einem sauberen T-Shirt suchten. Ja, ich bemühte mich, ihr sehr komplizierte kleine Origamis zu basteln, bei denen die Lügen stets gut versteckt waren, und traf mich weiterhin mit Alexis, ertrug ihn, ließ mir von ihm das Leben zur Hölle machen, mit dem einzigen Ziel, ihr ein »Es geht ihm gut« entgegenschmettern zu können, bei einem Schluck oder einem Lächeln, das also nicht mehr mir galt.
Es geht ihm gut. Er hat mich bestohlen, er bestiehlt mich und wird mich weiterhin bestehlen. Er hat mir meine Eltern weggenommen und meine Großmutter traumatisiert, um sich zuzudröhnen, aber es geht ihm gut, das kann ich dir versichern.
Ihr hingegen nicht. Sie ist daran gestorben, glaube ich. Sie war schon alt und besaß die Schwäche, an ihren Erinnerungen zu hängen ...
Aber ... War er nicht auf dem besten Wege, es auch zu tun? Sich von einer Ansammlung verstaubter Nippesfiguren auffressen zu lassen?
Sie mochten ja wertvoll gewesen sein. Aber waren sie es heute noch?
Wertvoll?
Bang bang, an der Haltestelle Porte-de-la-Chapelle, so kurz vorm Ziel und so weit weg von seinem Zuhause, spürte Charles, spürte körperlich, dass die Zeit gekommen war, das alles ein für alle Mal zu entsorgen.
Sorry, aber ich kann nicht mehr.
Das jetzt ist nicht einmal mehr Müdigkeit, das ist – Erschöpfung.
Vergeblichkeit.
Ist doch so. Ich bin immer noch der arme Kerl, der seine Hausaufgaben noch einmal durchsieht, die Miete im Voraus bezahlt und sich am Zeichentisch die Augen ruiniert. Dabei habe ich versucht, euch zu
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