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Alles Glück kommt nie

Titel: Alles Glück kommt nie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carl Hanser Verlag
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ein Geschirrtuch und seinem Rotkreuzumhang Stil Erster Weltkrieg. Er hat mich schief angelächelt, und in dem Moment habe ich kapiert, dass er wohl ihr letztes Hündchen gewesen ist. Ein Typ, der genauso schwer einzuschätzen war wie Nounou. Ebenso verkleidet zumindest. Sehr erfreut. Erhat mir gegenüber Platz genommen, und die Nachbarin zog los, um ihren Kummer näher am Tresen zu ertränken. Ich spürte, dass er ebenfalls den Drang hatte, sein Herz auszuschütten, aber ich war müde. Ich wollte gehen, endlich für mich allein sein. Also bin ich gleich auf die Fakten zu sprechen gekommen: Was war am Ende passiert? Und während um uns die Flipper und der Fernseher klimperten, erfuhr ich, dass unsere liebe Anouk, die ihr ganzes Leben darauf verwendet hatte, den Tod zu piesacken, ihm ihr Leben letztendlich hingeworfen hatte.
    Warum? Das wusste er nicht. Mehrere Dinge vielleicht ...
    Zweimal pro Woche arbeitete sie im Brot der Freundschaft , einem Laden, der Menschen in Not vorbehalten ist und in dem Lebensmittel fast nichts kosten. Eine ›Kundin‹ war eines Tages mit einem Haufen Knirpse im Schlepptau angekommen und wollte das Fleisch nicht haben, weil es nicht halal war, und auch die Bananen nicht, weil sie schwarze Flecken hatten, und keinen Joghurt, weil er schon am nächsten Tag ablief, und nur zu, lass mich munter weitere Klatschen verteilen, aber in dem Moment fing Anouk, die normalerweise ausgesprochen freundlich war, an zu brüllen.
    Dass es logisch sei, wenn die Armen arm waren, wenn sie sich so aufführten. Was das sollte, dieser Schwachsinn von wegen korrekte Schächtung, wenn man Kinder hatte, die so blass und unterernährt waren! Und wenn sie den Kleinen hier noch einmal schlagen, Sie Schlampe, noch ein einziges Mal, hören Sie? Bring ich Sie um . Und was sollte das außerdem, ein funkelnagelneues Handy haben und für zehn Euro am Tag Zigaretten rauchen, wenn die Kleinen mitten im Winter nicht einmal Strümpfe trugen! Und was war das für ein blauer Fleck? Wie alt er denn sei, der Kleine hier? Drei? Womit hast du ihn geschlagen, du Miststück, dass er so einen Fleck hat? He?
    Die Frau war schimpfend abgezogen, und Anouk legte ihre Schürze weg. Das war’s, sagte sie. Sie käme nicht mehr wieder. Das hielte sie nicht mehr aus.
    Die zweite Sache, murmelte der dicke Jeannot, es war schonder 15., und ihr Sohn hatte sie noch nicht für Weihnachten eingeladen, sie wusste also nicht, ob sie die Geschenke für ihre Enkelkinder aufbewahren oder verschicken sollte. Es ist bescheuert, aber das hat sie enorm beschäftigt. Und dann war da noch dieses Mädchen. Ich weiß nicht mehr, wie sie heißt. Der hat sie viel geholfen, mit der Schule und allem, und sogar ein Praktikum auf dem Bürgermeisteramt hat sie ihr verschafft, und die Kleine hat ihr dann eröffnet, dass sie schwanger ist. Mit siebzehn. Darauf hat Anouk gesagt, sie soll erst wiederkommen, wenn sie abgetrieben hat ...
    Soll ich Ihnen sagen, woran sie gestorben ist? Sie ist an Mutlosigkeit gestorben. Daran ist sie gestorben. Joëlle hier, und er wies mit dem Kinn auf Frau ›Warmgetränke‹, hat sie gefunden. Hinterher wurde erzählt, dass sie alles den Emmaus Leuten vermacht hat. Es war nur noch ein Sessel da und noch so ein Ding mit Wasser, das rausläuft. Ein Brunnen? Nein, nein, so ein Teil aus dem Krankenhaus, doch, das kennen Sie, mit einem Schlauch dran. Ein Tropf? Genau! Die Polizei hat gesagt, dass sie sich umgebracht hat, aber der Arzt hat gesagt, nein, sie hat sich nur thanisiert. Und weil Joëlle geheult hat, hat er ihr gesagt, dass sie nicht gelitten hat, dass sie einfach eingeschlafen ist. Dann war es also nicht so schlimm.
    ›Und Sie? Waren Sie mit ihr befreundet?‹
    ›Das kann man so sagen, aber ich war vor allem ihr Assistent, verstehen Sie? Ich bin mit ihr zu den Leuten gegangen, habe ihr die Tasche getragen und so.‹«
    Stille.
    »›Jetzt wird es wieder teurer werden‹.
    ›Was denn?‹
    ›Na, der Doktor und so.‹«
     
    Sylvie war aufgestanden. Sie warf einen Blick auf die Wanduhr, setzte einen Topf mit Wasser auf und fuhr dann mit leerem Blick fort: »Auf dem Rückweg im Stau fiel mir ein Satz wieder ein, den sie vor Millionen von Jahren von sich gegeben hatte,als wir nach einem besonders anstrengenden Tag in der Garderobe stöhnten: ›Soll ich dir was sagen, Herzchen? Dieser Job hat nur einen einzigen Vorteil: Man kann gehen, ohne andere zu belästigen.‹«
    Sie hob den Kopf: »Nun, mein lieber Charles, weißt du alles, was

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