Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Alles Glück kommt nie

Titel: Alles Glück kommt nie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carl Hanser Verlag
Vom Netzwerk:
ich weiß.«
     
    Sie wurde langsam unruhig, und er begriff, dass es an der Zeit war, sie in Ruhe zu lassen. Er wagte nicht, sie zum Abschied zu umarmen.
    Sie kam ihm ins Treppenhaus nach. »Moment! Ich habe noch was für dich.«
    Sie hielt ihm einen Karton hin, der mit breitem Packband verschlossen war und auf den sie in Großbuchstaben seinen Namen geschrieben hatte.
    »Der Alte, von dem ich zuletzt erzählt habe, hat mich gefragt, ob ich einen gewissen Charles kenne, und er hat diesen Karton unter seinem Mantel hervorgeholt. In ihrer Wohnung, hat er gesagt, stand nur noch eine große Tüte für ihren Sohn mit den Geschenken für die Kinder, und das hier ...«
     
    Charles klemmte sich den Karton unter den Arm und lief wie ein Zombie weiter. Immer geradeaus. Rue de Belleville, Faubourg du Temple, Place de la République, Rue de Turbigo, Boulevard de Sébastopol, Forum des Halles, Theater Châtelet, die Seine, blind am Hotel Saint-Jacques vorbei, auf gut Glück Richtung Hotel Port-Royal, und als er merkte, dass es wieder ging, dass seine körperliche Erschöpfung die Erschütterungen seines Gefühlslebens besiegt hatte, holte er seinen Schlüsselbund heraus und machte sich, ohne seine Schritte zu verlangsamen, daran, mit dem kleinsten Schlüssel das Packband aufzuritzen.
    Es war ein Schuhkarton für Kinderschuhe. Er steckte seinen Schlüsselbund zurück in die Tasche, rempelte einen Pfeiler an, entschuldigte sich und nahm den Deckel ab.
    Der Staub, die Motten oder auch die Zeit hatten ganze Arbeit geleistet, aber er erkannte sie trotzdem. Es war Mistinguett, die ausgestopfte Taube von Nou...
    Aber? Was...
    Er konnte nur noch an eins denken: Den Karton sollte er an sich drücken und nicht mehr loslassen.
    Ihm konnte nichts mehr passieren.
    Umso besser. Er war ohnehin zu müde, um weiterzumachen.

14
    Unter seiner Wange war es ganz heiß. Er schloss die Augen, fühlte sich gut.
    Aber schon wurde er wieder belästigt. Von vielen Leuten.
    Ich hab ihn nicht gesehen! Ich hab ihn nicht gesehen! Das liegt an diesen beschissenen neuen Busspuren! Wie viele Tote brauchen sie noch, die Deppen? Ich hab ihn einfach nicht gesehen, sag ich doch! Er war aber auch nicht auf dem Zebrastreifen, das muss man sagen, was?! Verdammt. Ich hab ihn nicht gesehen.
    Monsieur? Monsieur?
    Alles in Ordnung?
    Er lächelte.
    Schert euch zum Teufel, alle.
    Rufen Sie die Feuerwehr, hörte er. Auf keinen Fall. Er beschloss, aufzustehen.
    Nicht ins Krankenhaus.
    Er hatte seine Dosis für heute schon gehabt.
    Er streckte seine Hand aus, stützte sich auf einen Arm, noch einen, ließ sich hochziehen, zeigte auf seinen Karton, bedankte sich mit einem Kopfnicken und humpelte zum anderen Ufer.
     
    Bewegen Sie mal den Arm, den anderen. Und die Beine. Das Gesicht ist ganz schön ramponiert. Und der Schock, ich weiß nicht. Das merkt man nicht sofort, die Folgeschäden. Hat er sich übergeben oder nicht? Drücken Sie besser nicht zu viel an ihm rum. Sollen wir nicht lieber die Feuerwehr rufen? Ich kann Sie in die Notaufnahme fahren. Kommen Sie! Wir sind hier nicht weit vom Cochin ! Sind Sie sich sicher? Man kann ihn doch nicht so zurücklassen, oder? Was sagt er?
    Er sagt, er sei sich sicher.
     
    Daraufhin zerstreute sich die Menschenansammlung. Ein Toter, der nicht stirbt, ist nicht sehr interessant.
    Und außerdem, ohne Verwirrung keine Verworrenheit. Ein guter Bürger bot ihm allerdings an, das Kennzeichen des Fahrers für ihn aufzuschreiben und als Zeuge bei der Versicherung auszusagen.
    Charles drückte den Karton an sein Herz und bewegte den Kopf von rechts nach links.
    Nein. Danke. Er war nur leicht angeschlagen. Das würde sich wieder geben.
    Kein Problem.
     
    Der Einzige, der neben ihm auf der Bank sitzen geblieben war, war eine Art Clochard. Er verdiente dafür keine Anerkennung, er langweilte sich nur.
    Charles bat ihn um eine Zigarette.
    Als er sich zu der Flamme vorbeugte, glaubte er, ohnmächtig zu werden. Er bewegte sich so langsam wie möglich in die Ausgangsposition zurück, fuhr sich mit der Zunge über die Lippen, um den Filter nicht zu beschmutzen, und atmete einen langen Zug Ruhe ein.
    Nach einer ganzen Weile, einer Stunde vielleicht, hielt ihm sein Schutzengel die Hand hin.
    Zeigte ihm das Schaufenster einer Apotheke.
     
    Die kleine Laborantin Géraldine, wie auf ihrer Brust zu lesen war, stieß einen Schrei aus, als sie ihn sah. Ihre Chefin eilte herbei, bat ihn, Platz zu nehmen, und quälte ihn mit tausend Wonnen.
    Der Rausch des

Weitere Kostenlose Bücher