Alles Gold Der Erde
Gebäck ist bestimmt gut.«
Archwoods zwei Grundstücke berührten einander an der Rückfront. Also konnte Kendra mehrmals am Tage das Gebäck heiß vom Ofen herüberbringen. Es wurde gekauft, bevor es kalt war. Nun fing Marny doch an, sich für die Sache zu interessieren. Lolo würde bald ihr Baby bekommen; Lulu dagegen stand nichts dergleichen bevor, demnach konnte sie das Gebäck an den Mann bringen. Nahe beim Eingang des Zeltes ließ sich ein Tisch aufstellen. Die Wohlgerüche des Gebäcks waren dazu angetan, Passanten herbeizulocken. Ein anständiger Mensch, dem keineswegs der Sinn nach einem Spielchen stand, käme vielleicht zu einem Imbiß hinein. Und wenn dieser anständige Mensch einmal im Zelt war, würde er wohl auch einen Blick auf die Spieler werfen, was ja nichts Schlimmes war. Und dann würde er schließlich einen Dollar oder auch zwei setzen, aus purem Vergnügen natürlich …
»Keine schlechte Idee«, meinte Marny. Ihre Augen leuchteten sanft wie die einer schnurrenden Katze.
Endlich verschwanden die Goldsucher doch aus Archwoods Haus und fuhren mit einem Boot wieder ins Goldland zurück. Marny hatte ein paar nützliche, wenn auch nicht ansehnliche Möbel gekauft. Zusammen mit Archwood zog sie nun ein. Archwood delektierte sich an Kendras Gerichten, doch kümmerte er sich sonst nicht weiter um sie. Er hatte viel zu tun, denn alles war neu und interessant für ihn und obendrein hatte er Marny, die gleichfalls neu und interessant für ihn war. Er war davon bezaubert, daß sie nicht nur die Schlafzimmerkünste gut beherrschte, sondern auch im Salon eine gute Atmosphäre zu schaffen wußte. Bezaubert war er übrigens auch von ihrer Begabung, Geld zu verdienen.
Marny eröffnete ihren Spielsaal an einem Novemberabend im Jahre 1848. Das Zelt war nicht groß, aber hübsch; der Fußboden bestand aus Sumpfzypressenholz; draußen hing ein Schild mit der roten Aufschrift ›Calico-Palast‹. Wer durch die Kearny Street ging, mußte Marny mit den Karten sehen. Vor ihr lag ein kleines Vermögen: Goldklumpen, nordamerikanische Dollars, englische Sovereigns, Gold- und Silbermünzen aus Mexiko, China und Peru. Da Münzen nur per Schiff nach Kalifornien gelangten, gab es davon nie genug in San Francisco. Die Leute handelten also mit jeder Währung, die sie bekommen konnten.
Ebenfalls in der Nähe des Eingangs saß Lulu an einem Tisch, auf dem Kendras Gebäck feilgeboten wurde. Neben ihr dampften Kaffee- und Teekessel auf einem Kohlenkocher. Weiter im Hintergrund machten sich die Schwarzbärte nützlich: Der eine hielt die Bank, während der andere den Aufpasser spielte. Zwei Tische konnten die Gäste stundenweise mieten. Die Bar wurde von einem Menschen namens Chad behütet, einem kräftigen Mann mit dickem Hals, krausem schwarzem Haar und rosafarbenem freundlichem Gesicht. Chad war der Bar des City Hotels abspenstig gemacht worden durch das Versprechen, er könne im Zelt schlafen. Zwei junge Mexikaner schlenderten umher und strichen über ihre Gitarren. Archwood hatte sie entdeckt und Marny versichert, sie spielten gut. »Ich nehme dich beim Wort«, war Marnys Antwort gewesen. Für sie war Musik eine Art Geräusch. Nicht daß sie etwas dagegen gehabt hätte, solange dieses Geräusch Spieler anlockte.
Jeder, der im Zelt beschäftigt war, trug eine Waffe. Die Männer hatten sich mit großen mörderisch aussehenden Pistolen versehen. Doch kam es nur selten zu Reibereien. Die Schwarzbärte waren zuverlässige Aufpasser, und Chad half gern, die Ruhe wiederherzustellen, denn er liebte ein ruhiges Leben. Archwood kam oft zu einem Besuch, um nach dem Rechten zu sehen, aber er blieb nie lange. Das Spiel lag ihm nun einmal nicht. Er kannte sich in den Rechnungsbüchern aus, und in dieser Hinsicht hatte er nichts zu klagen. Jedes Boot, das flußabwärts kam, brachte Männer aus den Goldminen. Sie verjubelten ihr Gold in einem verrückten Karneval.
Eine Woche nach Einweihung des Zeltes verabschiedeten sich Hiram und Pocket. In Kendras Küche tranken sie Kaffee und berichteten, daß sie morgen aufbrechen würden, um die Arbeit in der Werkstätte beim Fort zu beginnen. Sie wollten Bäume fällen, Schwingtröge herstellen und dabei reich werden. Marny wünschte ihnen alles Gute und gab jedem einen Kuß, damit die Männer sie nicht vergäßen. Dann kehrte sie zu ihrem Spieltisch zurück. Kendra ging mit den beiden vors Haus, wo sie ihre Pferde angebunden hatten.
Hiram hatte bereits die Hand am Zügel. Plötzlich schaute er
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