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Alles Gold Der Erde

Titel: Alles Gold Der Erde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gwen Bristow
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stirnrunzelnd auf sie herab. »Ist bei Ihnen alles in der Reihe, Kendra?« fragte er.
    »Ja«, beteuerte sie, und da er noch immer zweifelnd dreinsah, fügte sie hinzu:
    »Ich fühle mich wirklich wohl, Hiram.«
    »Sie haben eine Waffe?«
    »Ja.«
    »Wo?«
    »Unter meiner Schürze.«
    »Lassen Sie mich sehen.«
    Sie nahm die Pistole aus dem Halfter und reichte sie ihm. Es war ein kleiner Colt, den Archwood einem Mann abgekauft hatte, dem beim Spielen die Münzen ausgegangen waren. Hiram untersuchte ihn, nickte zustimmend und gab ihn zurück. »Eine brauchbare kleine Waffe. Wissen Sie denn auch, wie Sie damit umzugehen haben?«
    »Ich bin noch beim Lernen. Sie jagt mir ein bißchen Angst ein, aber ich werde mich daran gewöhnen.«
    »Probieren Sie so lange, bis Sie mit ihr vertraut sind«, befahl Hiram ernst. Dann schüttelte er seinen zottigen Kopf. »Das alles hier gefällt mir nicht. Sie leben in der Nähe eines Spielhauses, das auch eine Kneipe ist. Aber …« Er zuckte die Schultern. Kendra hatte sonst niemanden, zu dem sie hätte gehen können, und Hiram wußte das. »Ich hab's ja schon einmal gesagt, Kendra: Sie haben Mumm.«
    Pocket, der bei seinem Pferd stand, meinte so gelassen wie immer:
    »In dieser Gegend müssen die Leute auch Mumm haben.«
    Die Männer schwangen sich in die Sättel. Hirams Stirn lag jedoch immer noch in Falten. Er legte seine große Hand auf Kendras Schulter und sagte.
    »Sie sind ganz sicher, daß Sie gern hier bleiben, Kendra?«
    Sie lächelte zu ihm auf. »Ganz sicher, Hiram. Ich bin hier auch in guter Obhut. Sie lassen mich nie allein im Haus. Ich habe zu tun. Ich bin unabhängig. Ich bin glücklich.«
    Endlich lächelte auch Hiram. Er drückte ihre Schulter. Die beiden ritten davon. An der Ecke der Kearny Street winkten sie ihr Lebewohl zu, und Kendra winkte zurück.
    Als sie die Männer verschwinden sah, fühlte Kendra mit einemmal Schauer auf der Haut. Sie hatte gesagt, daß alles in Ordnung sei bei ihr. Sie hatte behauptet, daß sie glücklich sei. Es war die größte Lüge, die sie jemals ausgesprochen hatte.

30
    Kendra war durchaus nicht in Ordnung. Sie hatte Angst, sie war einsam, sie fühlte sich fast krank, weil sie nicht wußte, was aus ihr werden sollte. Hiram hatte gemeint, sie habe Mumm. Nun, sie spürte nichts von Mumm, sie war wie gelähmt. Sie konnte nur so tun, als wäre alles in Ordnung. Sie redete sich das selber und anderen Leuten ein. Mehr vermochte sie nicht zu tun.
    Kendra lag es allerdings nicht, sich und andern etwas vorzumachen. Es gelang auch jetzt nur, weil sie so viel zu erledigen hatte, daß ihr kaum Zeit zum Nachdenken blieb. Sie kochte die Mahlzeiten, und zwischen den Mahlzeiten stellte sie das Gebäck her. Doch hatte sie nicht nur zu kochen und zu backen, sie mußte sich außerdem darum kümmern, Eßbares aufzutreiben.
    Mehl, Zucker und Fleisch gab es zwar zu kaufen; frische Nahrungsmittel waren indessen rare Artikel. Die Boote, von denen die Lebensmittel von den Ranches geliefert wurden, lagen nun Tage oder Wochen in der Bucht, ehe sich Matrosen meldeten. Viele Goldsucher hatten ihre Schätze längst verpraßt, die meisten schleppten freilich noch immer schwere Goldbeutel mit sich und wollten feiern, anstatt zu arbeiten. Wenn Kendra aus dem Fenster schaute und ein Boot kommen sah, rief sie sogleich einen der Schwarzbärte. Fand er Milch oder Eier an Bord, so mußte er sie zu jedem Preis kaufen. Manchmal fand er etwas, manchmal aber auch nicht.
    Immerhin versuchte sie aus dem wenigen, was sie in die Hände bekam, das beste zu machen, und ungeachtet der phantastischen Preise, die Marny forderte, kauften die Männer ihr Gebäck. Kendra arbeitete nahezu ununterbrochen, aber sie wollte es gar nicht anders haben. Die Arbeit hinderte sie am Grübeln. Die Arbeit wirkte wie eine Droge.
    Doch wie alle Drogen konnte auch diese die Wahrheit nicht stets verdrängen. Kendra wußte, daß die Arbeit sie vom Nachdenken abhielt, und sie wußte nur allzu gut, woran sie denken wollte: an ihre Einsamkeit, an ihre Angst.
    Diese Angst war eine andere als jene, die sie am Kap Horn empfunden hatte. Damals war die Angst eine Wirklichkeit gewesen, eine Gewißheit – bis Loren mit seiner Zuversicht sie beruhigt hatte. Das war die körperliche Furcht gewesen, die jeden Menschen im Augenblick der Gefahr befällt. Jetzt aber kam sie sich wie ein verirrtes Kind vor, das unter Fremden in einem sinnlosen Durcheinander lebt.
    Nie hatte sie sich so einsam gefühlt. Kendra kannte

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