Alles Gold Der Erde
aber das allein macht es nicht. Sie ist mit einem der reichsten Bürger verheiratet. Und damit sind alle ihre Sünden verziehen.«
»Ich habe Ihnen doch gesagt, daß ich mich freue«, wiederholte Kendra. »Genau so hat sie's haben wollen, und ich bin froh, daß es ihr gelungen ist.« In dem Moment drehte sich Rosabel um und sah Kendra und Hiram. Sie lächelte ihnen zu. Rosabel wirkte verwöhnt und zufrieden. Kendra entging es nicht, daß Mr. Fenway trotz seiner feierlichen Würde ebenfalls recht zufrieden aussah.
Nach dem Stück plauderten sie miteinander. Mrs. Eustis erwies sich als eine nette kleine Frau, die allerhand über die Plagen zu berichten wußte, die sie bei der Überquerung der Landenge von Panama zu erdulden gehabt hatte. Rosabel lauschte stumm, aber Kendra fiel auf, daß ihre Lippen zuckten. Heutzutage wurde die Route von Truppen der amerikanischen Armee bewacht. Amerikanische Raststätten waren längs des Reiseweges anzutreffen. Die Reisenden schliefen vielleicht nicht immer in sehr bequemen Betten, sie brauchten aber nicht zu fürchten, daß man sie im Laufe der Nacht umbringen werde. Rosabel kannte diese Gegend noch aus einer Zeit, da ganz andere Zustände geherrscht hatten. Sie hielt jedoch den Mund und ließ Mrs. Eustis plappern.
Als Mr. Eustis mit seiner Gattin gegangen war, lud Rosabel zu einem Besuch ein. Man schrieb nun November, und an dem verabredeten Tag war es kalt und wolkig. Mr. Fenway holte Kendra und Marny mit einer gut gepolsterten Kutsche ab und legte eine warme Decke über ihre Knie. Die Häuser in Happy Valley hatten ein nettes und freundliches Aussehen. An den Fenstern hingen neue Vorhänge, Farnkräuter wuchsen in Töpfen auf der Veranda, in den Höfen spielten sogar Kinder. Mr. Fenway und seine Frau wohnten noch immer in dem Fertighaus, doch hatte er an der Nachbarschaft nichts auszusetzen und gedachte, demnächst hier ein Backsteinhaus bauen zu lassen.
Sie fanden Rosabel in einem Salon, der hell erleuchtet war von einem großen Holzfeuer. Außer den Möbeln, bei deren Kauf Kendra geholfen hatte, sah sie nun Kissen, Fußbänke, einen Bücherschrank und ein kostbares Klavier aus Rosenholz. Nahe am Feuer stand ein Tisch mit einem silbernen Teeservice. Rosabel schenkte die Tassen voll und reichte Sandwiches. Sie war nicht nervöser als jede andere junge Frau, die noch nicht ganz an Besucher gewöhnt ist. Es war ein schönes Heim, das gut in Ordnung gehalten wurde, und das sagte Kendra auch. Mr. Fenway, der an seinem Tee nippte und an einem Olivensandwich nagte, zitierte feierlich die Heilige Schrift:
»Eine vernünftige Frau ist ein Geschenk Gottes.«
Kendra erkundigte sich bei Rosabel, wie sie denn mit ihrem Haushalt zurechtkomme. »Ein Ehepaar, das in einem von Mr. Fenway errichteten Häuschen lebt, geht mir zur Hand«, antwortete Rosabel. »Der Mann hackt Holz und kümmert sich um die Pferde, und seine Frau besorgt die Hausarbeit und die Wäsche. Dadurch bleibt mir Zeit für meine Musik. Zweimal in der Woche kommt ein Franzose, der mir Stunden gibt. Ach, das freut mich ja so! Ich habe schon als kleines Mädchen Klavier gespielt, aber jetzt erst merke ich, wieviel ich noch erlernen muß.«
Mr. Fenway lauschte stolz.
Dann unterhielten sie sich über das Theater und die Schauspieler, über die neuen Moden und die Schaufensterauslagen. Mr. Fenway meinte, sie müßten Rosabel auf ihrem Klavier spielen hören. Kendra stellte fest, daß der französische Musiklehrer seine Sache verstand. Rosabel nahm erst seit drei Monaten Unterricht, doch schon zeigte ihr Vortrag merkliche Fortschritte. Auch dies sagte Kendra, und Rosabel lächelte dankbar.
Es wurde Zeit zur Heimkehr. Kendra und Marny bedankten sich bei Rosabel für den angenehmen Nachmittag, und Mr. Fenway kutschierte sie zurück zum Calico-Palast. In ihrem Zimmer fiel Kendra ein, daß Rosabel ja nicht ein einziges Mal nach dem Spielkasino gefragt hatte. Ob sie wohl niemals mehr Heimweh bekam nach dem Leben, das sie aufgegeben hatte?
Marny zog die Stirn kraus. »Ich weiß es nicht«, erwiderte sie nach einer Weile. »Ich frage mich das auch. Aber ich will dir etwas anderes sagen, Kendra: Wenn sie uns noch einmal zum Tee bittet, werde ich süß lächeln und ablehnen.«
»Aber weshalb denn nur?«
»So gelangweilt wie heute habe ich mich noch nie nach meiner Abreise aus Philadelphia.« Marny seufzte. »Es tut mir leid. Ich bin doch wohl nicht der häusliche Typ.«
Wenige Tage später erzählte ihnen Dwight stolz, daß sie
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