Alles Gold Der Erde
Wohltätigkeitsveranstaltungen in Kirchen ist mir das Zeug bekannt. Bedient euch also.«
Die Frauen nahmen sich einige Taschentücher mit Hohlsäumen. Kendra wählte außerdem ein Nadelkissen, während sich Marny für ein hellgrünes Band mit Seidenblümchen entschied. Dann erzählten die Männer von dem Basar. – »Es war ein großes Ereignis«, sagte Hiram. »Alle Welt war da: Mr. Eustis mit seiner Frau, Mr. Chase mit seiner Frau, Mr. Fenway mit seiner Frau …«
»Und Mr. Hiram Boyd«, warf Pocket ein, »der viel Geld ausgab, um neue Kunden für seine Bank zu gewinnen.«
»Ja, und alle stolperten sie über meine großen Füße.« Hiram stand auf. »Da ich also meinen gesellschaftlichen Verpflichtungen nachgekommen bin, werde ich mich jetzt an Marnys Bar zurückziehen.«
»Und ich gehe wieder an meinen Spieltisch«, sagte Marny. »Ich habe das Gefühl, daß nicht wenige Burschen nach dieser erbaulichen Veranstaltung den Drang verspüren, sich wieder wie normale Menschen zu benehmen. Sie werden demnach hierherstürzen.«
Sie hatte recht. Der Calico-Palast machte kurz vor Toresschluß ein fettes Geschäft. Als Marny ihren Tisch verließ, war sie glücklich, aber auch müde. Am Abend danach erklärte sie: »Heute will ich die Karten einmal nicht anrühren, ich möchte statt dessen ausgehen.« Mit Dwight besuchte sie das Dramatic Museum.
Das Publikum in diesem Haus war nicht so erlesen wie das im Jenny-Lind-Theater. Als Dwight und Marny ihre Logen betraten, wurden sie lautstark von einigen ihrer Stammkunden begrüßt. Sie dankte ihnen lächelnd, und Dwight tat es auch. Er war stolz darauf, daß man ihn in Marnys Gesellschaft sah und daß man wußte, er war der einzige Mensch in der Stadt, der dieses Vorrecht genoß.
Plötzlich erspähte Marny im Zuschauerraum den Captain Pollock. Er allerdings grüßte sie nicht. Er schien sie überhaupt nicht zu sehen. Einen Augenblick fragte sich Marny, ob er sie eigentlich immer noch so verabscheue. Da begann die Vorstellung. Marny widmete ihre Aufmerksamkeit der Bühne.
Zunächst spielte das Orchester. Danach sollte es, laut Programm, einen einaktigen Schwank geben, dem eine Gesangseinlage von Miß Hortensia Vale folgen würde. Marny hatte noch nie etwas von einer Miß Hortensia Vale gehört, Dwight jedoch kannte sie. Wie er zu berichten wußte, war sie erst neulich aus dem Osten gekommen, und er hatte gehört, sie singe gut. Im Programm stand, sie werde sich selber auf der Gitarre begleiten, und später gebe sie Lieder zur Klaviermusik eines Herrn aus Peru zum besten.
Der Schwank wurde nett gespielt, und Marny fand Gefallen daran. Als der Vorhang sich wieder teilte, erblickte sie Hortensia Vale, die auf einer mit Bändern geschmückten Leiter unter blühenden Papierblumen saß. Auf ihren Knien lag die Gitarre. Sie war kein schönes Mädchen, aber sie bot einen erfreulichen Anblick. Sie hatte flauschiges braunes Haar und lächelte fröhlich. Ihr Kleid enthüllte ihre Figur freigebiger, als man im Jenny-Lind-Theater für sittsam erachtet hätte; sie besaß jedoch eine schöne Figur, das wurde vom Publikum denn auch sogleich anerkannt, lebhafter Applaus bewies es. Hortensia warf Handküsse in die Luft und fing dann mit Grazie an, auf ihrer Gitarre zu spielen.
Marny hatte kein Ohr für Musik, aber sie spürte, daß die Zuschauer mit Vergnügen lauschten. Hortensia sang ein keckes Liedchen, in dem die Rede davon war, daß es die Damen in San Francisco schwer hätten, Damen zu bleiben, weil gar zu viele Männer sie umschwärmten.
Marny mußte lachen. Sie konnte die Stimme des Mädchens nicht beurteilen, aber sie sah, daß diese Hortensia Vale unbestreitbar gewisse Vorzüge hatte. Ob sie wohl auch Klavier spielen konnte? Die Zuhörer gerieten in Begeisterung. Marny beschloß, Norman zu einem Besuch der Schau aufzufordern, um festzustellen, ob ihr Klavierspiel soviel tauge wie ihr Gesang. Mit ihrer Augenzwinkerei könnte sie dem Calico-Palast viel Geld verschaffen. Dwight fragte Marny, als der starke Beifall abgeflaut war:
»Sie ist gut, nicht wahr?«
Marny nickte eifrig und blickte wieder auf die Bühne. Hortensia verneigte sich immer noch. Sie lachte dabei und war augenscheinlich guter Dinge. Die Leute wollten noch mehr hören, und es machte ihr anscheinend Spaß, sie zu unterhalten. Dwight meinte:
»Sie sieht auch gar nicht übel aus. Wir müssen noch mal herkommen … Marny!« Schon stieß Marny einen Schreckensschrei aus. Die Feuerwehrglocken gaben Alarm. Das
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