Alles Gold Der Erde
du verheiratest bist, wird sich vieles bei dir ändern müssen.«
»Ich weiß.«
»Ich will damit sagen, daß du nichts überstürzen sollst. Überlege dir die Sache genau.«
»Ich habe sie mir überlegt. Und ich will dir etwas sagen, Marny: Es ist Zeit, daß sich vieles ändert. Ich weiß, daß man es mir nicht ansieht, aber ich habe die Vierzig hinter mir. Allmählich wünsche ich Dinge, die ich bisher nicht gewünscht habe. So etwas wie eine feste Bindung. Ein paar Kinder.«
Norman redete wie ein Mann, der seine Worte ernst nimmt. Marny nippte an ihrem Glas und wartete darauf, daß er fortfuhr.
»Ich will dir auch sagen, weshalb ich Hortensia gern habe.« Er lachte kurz. »Sie ist kein Schlappschwanz. Weißt du noch, wie teuer sie sich an uns verkauft hat? Sie ist eine Persönlichkeit. Sie geht einem nicht auf die Nerven. Sie wird das Interesse eines Mannes wachhalten.«
»Hortensia würde aber keine Seitensprünge hinnehmen«, mahnte ihn Marny. »Hast du daran schon gedacht?«
»Natürlich«, entgegnete er fast entrüstet. »Hortensia ist ein anständiges Mädchen, und ich werde sie gut behandeln. Ich will dir noch etwas gestehen, Marny: Hortensia ist ein reizendes Mädchen. Sie mag früher manchen Seitensprung getan haben, aber jetzt tut sie das nicht mehr. Seit sie hier ist, hält sie ihre Tür verschlossen.« Stolz fügte er hinzu: »Vor jedermann.«
»Das weiß ich«, erwiderte Marny leicht amüsiert. »Du hast dich also auch darum gekümmert?«
»Gewiß. Ich lasse mich doch nicht auf eine so wichtige Sache ein, ohne mich genau umzutun. Das solltest du eigentlich längst wissen.«
Er meinte es tatsächlich ernst, und dennoch fragte sich Marny, wie lange dies dauern würde. Immerhin verstand es Hortensia, auf sich selber aufzupassen. Sie hatte ohne viel Geld New York verlassen, um nach Kalifornien zu reisen. Als ihr die Mittel ausgegangen waren, hatte sie ein Engagement angenommen und so viel verdient, daß sie bis New Orleans fahren konnte. Dort hatte sie sich ein Ticket für die Überquerung der Landenge gekauft. Wenn Hortensia wirklich Norman heiraten sollte, dann würde sie es mit ihm aufnehmen können. Und Norman seinerseits war in vieler Hinsicht ein guter Fang. Er hatte Geld und verdiente immer mehr. Und ein Langweiler würde er wohl niemals sein.
»Hältst du das nicht für eine gute Idee?« wollte er nun nochmals wissen.
»Ich habe es mir eben überlegt, Norman, und ich glaube, es ist eine gute Idee.« Sie trank ihr Glas aus und stand auf. Auch Norman erhob sich. Er lächelte über das ganze Gesicht. Mein Gott, dachte Marny, er sieht ja wirklich wie ein strahlender Bräutigam aus.
Norman reichte ihr die Kerze. »Du bist ein braves Mädchen, Marny«, meinte er und tätschelte ihr die Wange.
Sie sagten einander gute Nacht und gingen in ihre Schlafzimmer. Nach den Aufregungen der letzten beiden Tage war Marny so müde, daß sie sofort einschlief. Als sie erwachte, fühlte sie sich wohl. Die Sonne schien, und die Luft roch würzig. Marny wusch sich, steckte ihr Haar auf und ging zum Frühstück hinab.
An der Küchentür traf sie Kendra. Marny wollte sie begrüßen, da fiel ihr Kendras besorgte Miene auf. »Was ist los?« rief sie.
»Geraldine«, antwortete Kendra. »Geraldine ist fort, Marny. In der vergangenen Nacht ist sie davongelaufen.«
»Ach, Kendra! Du willst doch damit nicht sagen, daß sie auf die Plaza gerannt ist, wo der Pöbel war?«
Kendra nickte.
»Und die meisten dieser Burschen waren betrunken.«
Kendra nickte wiederum. Ihre Blicke trafen sich. Sie brauchten sich nicht zu erzählen, was sie dachten. Diese Männer, die auf der Plaza getobt hatten, konnten Geraldine totgetreten haben, ohne sie überhaupt zu sehen. Selbst wenn die Katze in der Nacht nicht verletzt worden war, lauerten heute überall Gefahren auf sie. Sie konnte von einem Wagenrad zerdrückt werden, Pferdehufe konnten ihre Knochen zerbrechen. Vielleicht lag Geraldine gerade jetzt im Sterben.
»Wann hast du sie zum letztenmal gesehen, Kendra?«
»Spätabends. Komm rein, ich erzähle dir alles.«
Kurz nach dem Dunkelwerden war Kendra mit Futter und Wasser in Geraldines Verschlag gegangen. Die Katze hatte kein Geheimnis daraus gemacht, daß sie durchgehen wollte, um sich einen Liebhaber zu suchen, aber Kendra hatte die Tür hinter sich geschlossen. Heute morgen indessen hatte die Tür offengestanden, und Geraldine war verschwunden.
Tag um Tag hofften sie, das Tier irgendwo im Haus zu finden. Vielleicht
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