Alles Gold Der Erde
besitzgierig aufgetreten. Sie hatte ihn jedoch wirklich gern gemocht. Nach einigen Tagen beichtete sie Kendra bei einer Tasse Schokolade, daß sie seine Abwesenheit bedaure. Geraldine strich ihr miauend um die Knöchel, und Marny hob sie hoch.
»Ich freue mich, daß wir das Kätzchen haben«, meinte sie und streichelte sein Fell. »Allerdings ist es jetzt kein Kätzchen mehr, sondern eine Katze. Hast du schon bemerkt, daß sie gewachsen ist, Kendra?«
Unter Marnys liebevollem Streicheln räkelte sich Geraldine und maunzte vor Wonne.
Kendra rief fast neidisch:
»Und sie braucht so wenig, um glücklich zu sein.«
Marny lächelte und nickte. »Viel zu essen, viel Schmuserei, ein warmes Plätzchen zum Schlafen – ach, es ist so schön, eine Katze zu sein!«
Dann meinte sie, nun müsse sie den Mann aus Harvard wieder ablösen. Sie stellte Geraldine auf den Boden und zog das Nuggethalsband aus ihrer Tasche. Zwischen den Spielen nahm sie den Schmuck immer ab, denn die Nuggets waren schwer, und wenn sie die Kette eine Stunde lang getragen hatte, tat ihr der Hals weh. Danach vergewisserte sie sich, daß der hübsche kleine Colt in ihrem Gürtel steckte. Marny hatte im Salon noch nie geschossen. Einige Male allerdings hatte sie die Waffe gezückt, als Gäste ausfallend geworden waren, und die Störenfriede so lange damit in Schach gehalten, bis Wärter sie ins Freie befördert hatten. Sie trug den Colt stets bei sich. Jedermann sollte wissen, daß sie mit dem Schießeisen umzugehen verstand.
Kendra, die ihre Freundin beobachtete, rief plötzlich:
»Marny, es geht mich zwar nichts an, aber willst du denn niemals ein friedliches Leben führen?«
»Ich weiß es nicht. Ich weiß nicht einmal, ob es ein friedliches Leben überhaupt gibt.«
»Ja, ich auch nicht«, gab Kendra zu. »Aber ich hoffe doch, daß so etwas möglich sein muß.«
Sie blickte Geraldine an, die sich in eine warme Ecke gekuschelt hatte und glückselig zu sein schien. »Es stimmt, was du gesagt hast, Marny: Es ist so schön, eine Katze zu sein.«
58
Schon am nächsten Tag mußten Marny und Kendra feststellen, daß es gar nicht so schön war, eine Katze zu sein.
Kurz vor Mittag, als Kendra in Geraldines Verschlag ging, merkte sie, daß ihr Kätzchen sich über Nacht verwandelt hatte. Sonst lief Geraldine ihr immer entgegen. Heute jedoch scherte sie sich nicht um ihr Fressen. Fauchend sauste sie von einer Wand zur andern, wälzte sich auf dem Boden und vollführte die tollsten Sprünge. Erschreckt schloß Kendra die Tür.
Marny saß beim Kaffee am Küchentisch. Schläfrig hörte sie zu, und schläfrig begann sie zu lachen. Plötzlich kam Kendra eine Erleuchtung.
»Meinst du, unser Kätzchen ist jetzt ein Katze geworden?«
»Es scheint so«, antwortete Marny. »Ich habe allerdings noch nie eine liebeskranke Katze gesehen, aber ich habe gehört, daß sie sich so benehmen. Na, wir werden mal den Tierarzt fragen.«
Später erschien Dr. Wardlaw, sah sich Geraldine an und lächelte weise.
»Ihr habt recht, Mädchen. Sie ist jetzt erwachsen.«
Er riet ihnen, sie sollten noch eine Zeitlang mit dem Nachwuchs warten. Marny und Kendra starrten einander verdutzt an.
»Wollen wir denn, daß sie Nachwuchs kriegt?« fragte Marny.
»Daran hab' ich noch gar nicht gedacht«, antwortete Kendra.
»Ihr Hübschen scheint nicht allzuviel von Katzen zu verstehen«, meinte Dr. Wardlaw. »Nein«, gestand Marny.
»Wir werden uns die Sache mit dem Nachwuchs mal durch den Kopf gehen lassen«, schlug Kendra vor.
»Ja, tut das nur.«
Zwei Tage und zwei Nächte lang führte sich Geraldine geradezu schamlos auf. Liebestolle Kater fanden sich hinter dem Calico-Palast ein. Sie versuchten über die Mauern zu klettern. Sie jaulten bis zum Morgen. Für menschliche Ohren waren die Laute schrecklich, Geraldine indessen schien sie für Liebeslieder zu halten.
Dann fing der frühe kalifornische Frühling an. Die Hügel wurden grün. Wilde Blumen blühten an den Abhängen. In San Francisco jedoch lebte niemand lange in Frieden. Abgesehen von den üblichen Überfällen und Einbrüchen, gab es alle paar Tage Feueralarm, und nicht lange nach dem Valentinstag kam es auf der Plaza zu einem Auflauf.
Die Zusammenrottung geschah nicht etwa wegen einer öffentlichen Hinrichtung, aber es fehlte nicht viel, und es wäre dazu gekommen. Ein Ladenbesitzer, der sich eines Abends allein in seinem Geschäft aufgehalten hatte, war von zwei Schurken niedergeschlagen und beraubt worden. Jetzt
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