Alles Gold Der Erde
verdient«, versicherte Marny. »Kendra? Ach, kommen Sie, ein Teelöffel voll wird Ihnen nicht weh tun. Sie können ihn ja mit Wasser verdünnen. Und Sie, Ning?«
Er streckte seinen Becher aus, und sie goß ihm beträchtlich mehr ein, als ein Teelöffel faßte. Pocket lehnte sanft ab. Dann bediente Marny sich selber. »Prost! Kendra, ist es nicht gut, daß wir diese Burschen wieder heil hier haben?«
Kendra beteuerte, ganz gewiß sei es das. Gene wandte sich mit einem scheuen Lächeln an sie: »Sie alle sind so alte Freunde … ich hoffe, daß ich nicht störe, Mrs. Parks.«
»Natürlich nicht«, antwortete Kendra. »Es freut mich, Sie wiederzusehen. Jetzt können Sie auch Ted kennenlernen.«
»Auf dem Weg hierher habe ich eine Menge über Ted gehört, auch über Ning.«
Ning nippte, und sein ledernes Gesicht leuchtete vor Freude auf. »Wie ich höre, wird euer Fort langsam übervölkert?«
»Nun, es scheint, als kämen sie aus allen Himmelsrichtungen«, erwiderte Gene. »Sobald die Nachricht vom Gold in einer Stadt eintrifft, machen sich die Leute auch schon auf die Socken. Monterey ist menschenleer, auch San José. Ich weiß nicht, ob die Kunde bereits nach Los Angeles gedrungen ist.«
»Weiß man es auch schon in Honolulu?« erkundigte sich Marny.
»Bald«, entgegnete Gene. »Zwei Schoner haben in der letzten Maiwoche San Francisco verlassen, um nach Honolulu zu segeln.«
»Um ein Haar hätten die Schoner gar nicht auslaufen können«, warf Hiram ein. »Die Kapitäne mußten die Heuer gewaltig erhöhen, um die Matrosen bei der Stange zu halten. Alle Schiffe haben jetzt Schwierigkeiten mit ihren Mannschaften. Die Leute gehen in San Francisco an Land, hören von Gold und laufen davon.«
»Auch beim Heer und bei der Flotte kommen Desertionen vor«, ergänzte Pocket. »Erzähl ihnen doch von Oberst Mason, Gene.«
Gene berichtete:
»Oberst Mason, der Militärgouverneur von Kalifornien, unternimmt eine Reise durch das Goldland. Es heißt, daß der Krieg mit Mexiko zu Ende ist, und Offiziere haben mir gesagt, sie fürchten den Tag, an dem die Nachricht vom Friedensschluß eintrifft.«
»Aber warum?« fragte Kendra erstaunt. »Wollen sie denn nicht, daß der Krieg aus ist?«
»Nein, Mrs. Parks, sie wollen es in der Tat nicht«, antwortete Gene ernst. »Ich meine, sie wollen nicht, daß ein offizielles Bulletin darüber kommt. Denn in dem Moment werden alle Freiwilligen ausgemustert, und die reguläre Armee hat nicht genügend Leute, um unter den jetzigen Verhältnissen die Ordnung aufrechtzuerhalten. Es wird nämlich gestohlen.«
»Das ist aber komisch«, bemerkte Marny. »Hier stiehlt niemand Gold.«
»Nicht Gold«, erklärte Gene. »Die Leute hoffen, viel Gold zu finden. Aber sie stehlen Pferde und Maultiere, um hierherzukommen. Mit den Booten und andern Fahrzeugen, die über die Bucht setzen, ist es genauso. Auch Vieh wird gestohlen. Eine Ranch nach der andern wird geplündert. Und wenn sie in die Minen aufbrechen, sind sie in solcher Hast, daß sie querfeldein galoppieren und die Ernte vernichten. Und in ganz Kalifornien lassen verheiratete Männer ihre Familien sitzen und gehen einfach davon. Sie meinen, sie werden Säcke voller Gold nach Hause tragen, und vielleicht wird das auch der Fall sein, aber in der Zwischenzeit haben die Kinder nichts zu nagen und zu beißen.«
Gene seufzte. Marny goß eine neue Runde ein.
»Und jedermann verlangt, daß der Oberst Mason etwas unternimmt. Die Ranchers fordern Wachen. Die Händler wollen ihre Boote. Die Kapitäne brüllen nach ihren Matrosen. Die Frauen schreien nach ihren Männern.«
Ning verzog seine Lippen zu einem halb amüsierten, halb mitfühlenden Lächeln. »Und was wird er unternehmen?«
»Das weiß der Himmel. Er schickt einen Bericht nach Washington, aber der Kurier wird Monate brauchen, um hinzugelangen, und noch einmal Monate, bis er mit den Instruktionen wieder da ist. Und in der Zwischenzeit wird Mason die Hälfte seiner Männer verlieren.« Gene hob die Schultern.
»Er tut sein Bestes«, meinte Hiram. »Aber ich glaube nicht, daß es auf Erden einen Mann gibt, der wüßte, was man in dieser Situation am besten unternimmt.«
Gene kicherte plötzlich. »Wissen Sie, wer einer der Offiziere ist, der mit Oberst Mason durch die Minen reist? Jener Quartiermeister, ein gewisser Hauptmann Folsom, der ganz am Anfang schon das Gold gesehen und es für Glimmer gehalten hat!«
Sie lachten alle. »Noch einen Drink?« fragte Marny Gene.
»Noch nicht,
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