Alles Gold Der Erde
wie verschieden beider Hände waren: Marnys waren weich wie Seide, Nings Hand fühlte sich wie Baumrinde an. Nach ihren Worten war es einen Moment still geworden, aber nur einen Moment. Dann rief Gene aus:
»Zum Donnerwetter! Es tut mir ja leid!«
»Verflucht noch mal! Der Teufel soll Sie holen!« stieß Ted hervor. Dann drehte er sich um und ging auf die höchste Erhebung des Landstreifens zu, wo der Fluß von den Gipfeln herabströmte. Er schaute nicht zurück. Er ging weiter und weiter, bis er unter den Bäumen außer Sicht war.
Zum erstenmal, seit Gene aufgesprungen war, um Ted zu begrüßen, sprach jetzt Ning. Er sagte:
»Nun, Jungs, es sieht so aus, als hätte ich unsere Gesellschaft doch nicht ganz so sorgfältig ausgewählt, wie ich geglaubt habe.«
Kendra fühlte sich so hilflos wie ein Stäubchen im Wind. Sie hatte bloß einen klaren Gedanken: fortlaufen und sich irgendwo verstecken und sich daran gewöhnen, daß sie wiederum allein war und allein sein würde, solange sie lebte. Sie löste sich aus Marnys und Nings Griff und wandte sich ab, doch ehe sie gehen konnte, fühlte sie sich wieder festgehalten. Diesmal war es die mächtige Faust Hirams, und er hatte sie so fest an der Schulter gepackt, daß sie sich nicht zu befreien vermochte.
»Sie werden jetzt nicht fortgehen«, sagte er befehlend.
»Doch!« schrie sie. »Lassen Sie mich los!«
»Nein«, versetzte Hiram. »Ich habe Ihnen zuvor etwas zu sagen. Warten Sie, Gene. Sie werden sich das auch anhören müssen.« Er winkte Pocket, Ning und Marny heran. Sie traten näher. Hiram sprach:
»Kendra, wir sind Ihre Freunde.«
Die andern nickten. Hiram fuhr fort:
»Ich möchte das klargestellt wissen. Gene, seitdem wir in Shiny Gulch sind, hat Kendra so hart wie jeder von uns gearbeitet, vielleicht sogar noch härter. Sie hat drei Mahlzeiten am Tag gekocht. Sie ist über diese Berge geklettert, um Salbei und Dill zu suchen, mit denen sie unser geschmackloses Fleisch würzen konnte und die wilden Salate, um uns bei Gesundheit zu halten. In den Goldgräberlagern gibt es viel Skorbut, aber wir haben ihn nicht bekommen. Kendra war so zerschlagen und müde wie wir alle, vielleicht noch zerschlagener und müder, aber nie hat sie auch nur ein Wort darüber verloren. Nicht ein einziges Mal hat sie den Mund aufgemacht, um sich zu beklagen. Sie ist genau das, was Ning einen guten Kameraden nennt.«
Ning sagte nichts. Sie alle hörten stumm zu. Kendra sah, daß Ning die Lippen zu dem ihm eigentümlichen dünnen Lächeln verzog, das zeigte, daß er einverstanden war, obgleich auch er schwieg.
Hiram blickte Kendra an.
»Jetzt werde ich Ihnen etwas sagen, Kendra: Wir haben Sie gern, und wir achten Sie. Was auch immer hinter dieser Sache stecken mag, es ist Ihre und Teds Angelegenheit. Was auch immer Sie tun mögen, wir werden es richtig finden. Das verspreche ich Ihnen.«
Er blickte die übrigen an, einen nach dem andern, und dann wieder Kendra.
»Wir sind die einzigen Menschen, die gehört haben, was Gene gesagt hat, und kein Mensch sonst wird es erfahren. Wir werden den Mund halten. Ehrenwort, Gene?«
»Gewiß«, versicherte Gene aufrichtig. »Sie können auf mich zählen, Madam. Ich werde keinerlei Ärger machen.«
Hiram wandte sich Ning zu:
»Ja?«
»Ich war noch nie ein Schwätzer, Hiram.«
»Pocket?«
»In Ordnung.«
Hiram musterte Marny. Mit einem langsam aufblühenden Lächeln antwortete sie nicht ihm, sondern Kendra:
»Neulich, abends, habe ich Ihnen erzählt, daß ich keine Dame sei, Kendra, aber durchaus wisse, mich wie eine solche zu benehmen. Nun, meine Liebe, damit dürfte alles gesagt sein.«
Kendra wunderte sich, daß sie nicht weinte. Es wäre eine große Erleichterung gewesen, Tränen in den Augen zu spüren. Hiram lächelte auf sie herab, und sofern außer dem Bartgestrüpp und den Schweißfurchen überhaupt etwas von seinem rauhen Gesicht zu erkennen war, so sah es jetzt beinahe sanft aus. Er nahm seine Hand von ihrer Schulter. »Jetzt können Sie gehen.«
»Ich danke euch, ich danke euch allen«, stammelte Kendra. »Vielen Dank.« Es erstaunte sie, daß ihre Worte so fest klangen. Sie fügte hinzu: »Bitte, kommt nicht mit mir. Laßt mich allein damit fertig werden.«
»Natürlich«, antwortete Hiram.
Sie drehte sich um und ging fort – in der Richtung, die auch Ted eingeschlagen hatte.
Die andern blieben in bedrückendem Schweigen zurück. Endlich erkundigte sich Ning:
»Haben Sie noch ein bißchen Schnaps in Ihrer
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