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Alles hat seine Zeit

Titel: Alles hat seine Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ennio Flaiano
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(seitdem also auch meine letzte gemeine Eitelkeit befriedigt war), hätte ich gehen können. Aber man stelle sich jetzt eine Münze vor, die man nicht in den Einwurfschlitz hineinschieben kann und erst nach langer Mühe und Anstrengung schließlich doch hineinbekommt und hinunterfallen lässt: Genauso fiel in diesem Augenblick die Sonne am Horizont herab, als sei sie es müde, die Komödie des afrikanischen Sonnenuntergangs weiterzuspielen. Sehr rasch verdunkelte sich die Luft, die Geräusche wurden vielfältiger, und der erste Schrei des dienstbeflissenen Schakals war in der Ferne zu hören: In diesem Teil der Welt ersetzt er das Pfeifen der Züge in der Nacht und erweckt in einem dasselbe Verlangen fortzugehen. Erst jetzt bemerkte ich, dass die Taschenlampe, vielleicht beim Sturz vom Lastwagen, kaputtgegangen war.
    Ich saß in der Falle. Nie würde ich zur Brücke gelangen können, wenn die Frau nicht einwilligte,
mich zu begleiten. Ich machte eine Zeichnung von der Brücke und zeigte sie ihr. Ich deutete mit dem Finger auf meine Brust und machte ihr verständlich, dass ich und die Brücke dasselbe wären, dass wir zusammentreffen müssten, ich dort hingehen müsste. Sie nickte mehrmals mit dem Kopf, um mir zu beweisen, dass sie verstanden hatte. Aber sie machte keine Anstalten, aufzustehen, die Sache ging sie überhaupt nichts an.
    Ärgerlich nahm ich sie bei der Hand, machte ihr mit Gebärden begreiflich, dass sie mich begleiten solle, wenigstens bis zu der Stelle, wo ich den Weg verloren hatte; aber wahrscheinlich meinte sie, ich wollte sie zur Brücke mitnehmen, um die Nacht mit ihr in meinem Zelt zu verbringen, und das musste ihr unsinnig erscheinen, denn sie weigerte sich, mir zu folgen. Sie blieb fest entschlossen; so hatte ich sie schon vorher kennengelernt, so starrköpfig und unbezwingbar.
    Ich geriet in Wut. Ich stieß sie vor mir her, und ein paar Schritte weit ging es gut. Dann blieb sie stehen und sah mich durch die halbgeschlossenen Lider mit dem unerträglichen Blick eines misstrauischen Tieres an. Es war nichts zu machen. Jetzt war es dunkel, und die Nacht würde mondlos sein. Ich setzte mich hin, um eine Zigarette zu rauchen; schließlich war ja ich es gewesen, der es gewollt hatte, und ich durfte nicht dieser Frau die
Schuld geben. Als sie sah, dass ich ruhig war, kam sie zu mir und zeigte von neuem auf das Dorf hinter den Bäumen. Ich schüttelte den Kopf, um«Nein»zu sagen; ich war nicht so dumm, mich in ein derart gefährliches Abenteuer zu stürzen: Die Leiche eines Offiziers ist rasch versteckt, man braucht sie nur im feierlichen Zug zum Krokodil zu tragen. Und niemand würde diese Eingeborenen je fragen, ob sie mich in dieser Gegend hätten vorübergehen sehen.
    Wenn also die Frau wirklich die Absicht hätte, mich in die Höhle irgendeines rachedurstigen Kriegers zu schleppen? Ich berührte mit der Hand die Pistole und beruhigte mich, schließlich hatte ich meine sieben Schuss, außerdem das Reservemagazin: die Kugeln gut eingefettet, die Pistole gereinigt; selbst wenn ich sie mit Sand zudeckte, wäre eine Ladehemmung ausgeschlossen.
    Sehr weit in der Ferne begann wieder das Geschrei der Schakale.«Es ist noch früh», dachte ich. Aber es gibt Nächte, in denen die Schakale es eilig haben, ihre Arbeit zu vollenden.
    Unterdessen war die Frau aufgestanden und winkte mir, ihr zu folgen; und da sie sich nicht dem Dorf zuwandte, tat ich ihr den Gefallen. Nach ein paar hundert Schritten befanden wir uns zwischen hohen Felsblöcken, welche von der aufgesogenen Sonne noch warm waren. Einer dieser
Felsblöcke war auf einer Seite ausgehöhlt und glatt und konnte unter seiner Kuppel zwei oder drei Personen beherbergen. Die Frau gab mir zu verstehen, dass ich dort schlafen sollte.
    Es war ein unsinniger Vorschlag, und ich lehnte mich dagegen auf.«Die Brücke», wiederholte ich mehrmals, und wieder stieß ich sie, doch sie befreite sich lächelnd und machte sich daran, dürre Zweige und Äste aufzusammeln, die sie nicht weit vom Felsblock entfernt auf einen Haufen legte: Sie wollte ein Feuer anzünden, vielleicht um mich zu beruhigen oder einfach darum, weil Frauen nun einmal Sinn für trauliche Häuslichkeit haben. Ich gab ihr die Zündholzschachtel und ließ sie gewähren. Die Flamme loderte hoch, und ich benutzte die Gelegenheit, mir im Kochgeschirr Kaffee zu zuzubereiten; ich gab ihr etwas davon, und sie trank es. Nun musste ich mich mit meiner Lage abfinden, und ich muss hinzufügen, dass sie mir

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