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Alles hat seine Zeit

Titel: Alles hat seine Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ennio Flaiano
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belästigten einen nicht. Das Chamäleon, diesmal im Abendanzug und satt von Fliegen, dachte wieder an diese ekelhafte Zigarette, die man ihm gegeben hatte und die es hätte gut finden sollen. Das Eichhörnchen, zu vornehm für diese Welt, ruhte in der Höhlung seines Baumes. So hoffte die Wildkatze, es im Morgengrauen zu überraschen. Es war also alles in Ordnung, und der Schlaf der Frau hatte teil an diesem Bild.

    Ich sah einen Schatten, etwa zwanzig Schritte von mir entfernt, und instinktiv griff ich zur Pistole. Ich zog sie vorsichtig aus der Tasche, mit angehaltenem Atem, und entsicherte sie: Ich wusste, dass eine Patrone im Lauf war und dass ich das Ziel nicht verfehlen würde. Aber der Schatten war schon verschwunden. Und als hätte dies jegliche Gefahr gebannt, beruhigte ich mich. Doch als ich es mir überlegte, schien mir die Sache doch ernster zu sein, gerade weil der Schatten verschwunden war, ein Zeichen dafür, dass ihm meine noch so vorsichtigen Bewegungen nicht entgangen waren; er spürte also, dass ich wach war. Zum mindesten glaubte ich dies. Das Feuer wieder schüren oder es ganz auslöschen? Wenn es ein Tier war, würde das Feuer genügen, es fernzuhalten, aber wenn es ein Mensch war, etwa der eifersüchtige Wächter der Frau oder ein versprengter Freischärler, so musste man ihm nicht noch Licht machen, damit er auf mich schießen konnte.
    Aber es konnte sehr wohl ein Tier sein, denn der Schatten, den ich gesehen hatte, war niedrig und in die Länge gezogen. Ich glaube nicht, dass ein Mensch auf allen vieren kriechen und mit einem Mal verschwinden kann, ohne zu viele Geräusche zu machen und ohne den Trieb zu verspüren, sich aufzurichten. Wenn es ein Mensch war, umso schlimmer für ihn. Doch ein Eingeborener
wäre nie auf den Buschwald zugegangen, ohne wenigstens ein brennendes Holzscheit mitzunehmen, das ihm als Fackel diente. Es könnte ein versprengter Feind sein, überlegte ich wieder, doch diese Vermutung musste ich wohl ausschließen. Der Krieg war in dieser Gegend seit vielen Wochen vorüber. Und doch, die Leichen dort oben bei der Basaltwand… Nein, ich konnte auch auf diesen Zweifel eine Antwort finden: Die drei Abessinier waren von einem Flugzeug aus mit dem Maschinengewehr getötet worden; in der Gebärde des zum Himmel hinaufzeigenden Mannes brauchte man also keine Hoffnung und keine Gewissheit zu lesen, außer jener, die ihm der Tod gebracht hatte. Und wenn es Leute aus dem Dorf gewesen wären, hätte man sie begraben. Niemand im Dorf vermutete, dass dort oben drei Leichen lagen.
    Also war es ein Tier. Aber welches Tier ist so vorsichtig, dass es sich versteckt, wenn es sich beobachtet fühlt? Welches Tier ist nicht versucht zu brüllen, wenn es einen verdächtigen Geruch spürt, den Geruch des Menschen?
    Ich schürte das Feuer. Die Frau war immer noch in Schlaf versunken, und es war nicht nötig, sie zu wecken. Vielleicht hätte sie meine Absicht missverstanden und sich von neuem angeboten, noch ehe es mir gelungen wäre, ihr klarzumachen,
um was es sich handelte. Und selbst wenn es mir gelungen wäre, ihr zu erklären, dass dort ein Schatten war, hätte sie gelacht.«An was für einen ängstlichen ‹Herrn› bin ich da geraten! Überall gibt es Schatten, aber Schatten tun einem nichts.»
    Gepackt von einer Angst, die umso heftiger war, da ich sie als unsinnig empfand, kuschelte ich mich, die Pistole in der Hand, neben die Frau. Ich wartete. Ich hörte das Ticken der Uhr.
    Der Schatten erschien nicht wieder, und ich hörte auch keine Geräusche, die ich für Zeichen seiner Anwesenheit halten konnte. Es bestand zwar die Möglichkeit, dass das große Tier sich versteckt hatte und dass es, eher als den günstigen Moment abzuwarten, um uns anzugreifen, erschreckt war durch uns und durch dieses Feuer, das fröhlich loderte. Wenn ich wach bliebe, würde alles gut ausgehen. Das Morgengrauen konnte nicht mehr sehr fern sein, es würde ganz plötzlich kommen, wie wenn man einen Lichtschalter umlegt. Dann würden die Geräusche aufhören, alle Schatten würden verschwinden, und es würde sich zeigen, dass jener, der mir jetzt Sorgen machte, ein vom Nachtwind bewegter Busch war. Man musste die Kraft haben zu warten (Abenteuer dieser Art passieren einem schließlich nicht jede Nacht) und die Kraft, auf den Schlaf zu verzichten.
Allerdings gebe ich zu, dass ich jetzt gern geschlafen hätte, wenn diese Besorgnis mich nicht zum Wachbleiben veranlasst hätte.
    Die Frau war immer noch in ihren

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