Alles hat seine Zeit
stillschweigende Absolution von ihm zu erbitten.«Letzten Endes bereue ich nichts. Ich konnte nicht anders», sagte ich.
Die Sonne sank, ich musste ins Lager zurückkehren. Die kurze Rast hatte mich beruhigt, mir sogar alle Furcht genommen. Ich brachte es fertig, heiter über meine Schuld nachzudenken, und ich fand keine Strafe dafür. Selbst wenn sie die Leiche entdeckten, selbst wenn der Verdacht auf mich fiele: Solange ich nicht gestanden, mein Verbrechen nicht herausgeschrien hatte, würde nichts geschehen. Nachdem der Leichnam begraben war, hatte ich meine Pflicht gegen die anderen
erfüllt, und jetzt musste ich sie weiterhin tun, indem ich schwieg. Die Frau zählte nicht, nur meine Schuld den anderen gegenüber. Auch sie war verraucht seit dem Augenblick, da ich sie nicht offen kundtat.«Tröste dich», sagte ich,«du hast viele Komplizen, du könntest sie nicht einmal zählen. Und sie verlangen nur, dass du schweigst. In jener Nacht hattest du keine, aber jetzt schon. Nachdem du die Frau begraben hast, ist es nicht einmal mehr dein Verbrechen, andere sind nun dafür zuständig. Viele Komplizen und kein Prozess: Wir sind in Feindesland, und es ist Schlimmeres geschehen. Deine Schuld wird erst an dem Tag zu einer solchen, an dem du die Kommandostelle zwingst, einen neuen Fragebogen in Umlauf zu setzen.»
Heimlich getröstet durch diese Worte, die ich an mich selbst richtete, machte ich mich wieder auf den Weg. Als ich an meine Stirn fasste, fühlte ich, dass sie brennend heiß war; es war also nur das Fieber, das mich so in Unruhe versetzte. Keine Angst, ich würde ja fortgehen, und«sie»würde mich alles vergessen lassen, auch meine erbärmliche Schwäche. Sie, die liebste Komplizin, die allerdings nie etwas argwöhnen würde.
Aber ich musste ins Lager zurück, diese alberne Komödie weiterspielen, obschon alle jetzt wussten, dass es sich nicht um Gold handelte;
dennoch fuhren sie fort, davon zu schwatzen, und gaben die letzte Hoffnung nicht auf.«Da ist er», sagte der Major. Alle erwarteten mich, auch der General war gekommen, vom Gerücht angelockt, das schon in allen Truppenteilen umging.«Er ist der Entdecker.»
Es war vergebens, sich dagegen zu wehren. Der General nahm die Sache ernst, vielleicht wollte er am Triumph der Entdeckung teilhaben. Er riet uns, an die Verwaltung der Kolonie einen Bericht zu schreiben, er wollte ihn noch am gleichen Abend weiterleiten. Ich war gerade dabei, ihn abzufassen, als ein wirres Geschrei mich ablenkte; ich sah, wie einige Soldaten sich bemühten, einen Brand zu löschen, der in einem Zelt ausgebrochen war. Der General hatte sich eine Brandwunde zugezogen, als er sich am Versuch beteiligte, Goldsplitterchen zu schmelzen. Das war eine solche Abwechslung, dass drei Tage später, als man erfuhr, das Gold sei nur Glimmer, man sich tröstete, indem man sich an den Schrecken des Generals beim Explodieren des Benzinkochers erinnerte. Und wem wurde in den Erzählungen die Urheberschaft des Spaßes zugeschrieben? Mir. Ich hatte geschwiegen, damit alle in die Falle gingen, ich hatte den Bericht geschrieben, ich hatte dem General geraten, die Splitterchen schmelzen zu lassen.
«Was mich am meisten amüsiert hat bei dieser Geschichte», sagte der Hauptmann zuweilen,«ist die Ernsthaftigkeit, mit der Sie dem General zuhörten. »
Mein Ruhm als Spaßvogel war so fest verankert, dass ich ihn nicht ablehnen konnte. Selbst der Major, der irgendeinen Groll gegen den General hegte, fand, dass mein Scherz äußerst vergnüglich gewesen sei. Dass man dann die Regierung der Kolonie alarmiert hatte, entschädigte alle für jede erlittene Enttäuschung. Aus den Zelten wurde die eingesammelte Erde herausgeschafft, die Brotbeutel wurden ausgeleert. Ein paar Erdschollen wurden aufbewahrt und dienten als Kerzenhalter.
«Ich hatte Sie mir anders vorgestellt», sagte eines Tages der Major lächelnd: Das sollte ein Lob sein. Wir sprachen lange miteinander, zum ersten Mal in zwei Jahren. Dabei erfuhr ich, dass er sich wirklich dafür einsetzte, mir den Urlaub zu verschaffen.
VIERTES KAPITEL
Sehr verschiedene Wunden
1
Ich war nicht mehr zur Abkürzung zurückgekehrt, ja, ich verspürte nicht mehr den Wunsch, dorthin zurückzukehren, dieses Kapitel war jetzt für mich abgeschlossen, und in Erwartung meines Urlaubs dachte ich nur noch daran, mich von den vielen Beschwerden zu kurieren: Ich wollte sie hinter mir lassen bei meiner Abreise, so wie ich die Erinnerung an Mariam hinter mir lassen
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