Alles hat seine Zeit
Klappbett.«Das geht sehr gut», sagte ich.
Ich breitete meine Decke über das Klappbett und legte mich hin.«Irgendetwas muss geschehen»,
sagte ich mir. Doch sehr bald hinderten die Müdigkeit und die Hitze mich am Denken; die Niedergeschlagenheit darüber, dass die Einschiffung missglückt war, verursachte einen Schmerz in meiner Brust, den Schmerz über einen allzu lange unterdrückten Kummer. Doch ich durfte nicht nachgeben, ich wusste, das wäre das Ende, ich würde vor Mitleid mit mir selbst weich werden und am nächsten Morgen zum Krankenhaus laufen und um Hilfe flehen. Ich sagte mir, wenn ich weinte, würde ich aufgeben; stattdessen musste ich ganz kaltblütig über meine Lage nachdenken und zu jedem Mittel greifen, um unter allen Umständen nach Italien zurückzukehren. So war ich gerade dabei, wieder Mut zu fassen, als die Tür zur Straße geöffnet wurde und ich eine Stimme hörte, welche die Frau rief.«Mimi», wiederholte die Stimme, und kurz darauf stand die Frau seufzend von ihrem Bett auf, ließ den Besucher eintreten und sprach mit ihm. Vielleicht sagte sie ihm, dass dort drüben jemand sei.«So früh?», dachte ich. Und es gelang mir zu lächeln.
Der Mann antwortete, dass er sich nichts daraus mache; aber an der Art, wie er zögernd im Zimmer hin und her ging, merkte ich, dass er sich nicht entschließen konnte zu bleiben. Unterdessen hatte die Frau sich wieder aufs Bett gelegt, die
Lampe angezündet und wieder in ihrem Heft zu blättern begonnen.
«Bleib doch nicht stehen», sagte sie. Der Mann setzte sich aufs Bett. Dann brummelte er, wenn die Dinge so stünden, wolle er lieber gehen. Die Frau gab ihm ein gelangweiltes«Gute Nacht»zur Antwort und fuhr fort, in ihrem Heft zu blättern; und so verbrachten wir drei einige Minuten in einem Schweigen, das von gegenseitigem Argwohn erfüllt war, bis ich das Geräusch wie von einem Klaps auf eine Hand hörte.«Entschließe dich», sagte die Frau leise, und der Mann erwiderte, dass er gehen wolle. Er musste sich wohl in seinem Stolz verletzt fühlen, oder er tat nur so: Die beiden zwinkerten sich wahrscheinlich zu und verkniffen sich nur mit Mühe das Lachen. Als ich so tat, als schnarche ich, erhob sich der Besucher, noch enttäuschter und ungehaltener als vorher, und wiederholte, dass er wirklich gehen wolle. Da fragte ihn die Frau, wann er nach Genua zurückfahre.
Wieder musste ich lächeln. Wie sich alles genau nach meinen Vermutungen abspielte! Los, vorwärts, sagt euren Dialog auf und versucht, dabei nicht zu lachen.«In zehn oder zwölf Tagen, sobald wir mit dem Verladen fertig sind», sagte der Mann. Es war eine ruhige Stimme in singendem Genueser Tonfall. Ich richtete mich
auf, die Ellbogen auf das Klappbett gestützt, und horchte. Die Frau sprach mit leiser Stimme, und nach einem langen Schweigen sagte der Mann, man müsse sich das zweimal überlegen.«Aber sicher», dachte ich. Unterdessen hatte die Frau es fertiggebracht, dass er sich neben sie setzte, und sie fragte:«Wie viel willst du?»
«Er wird genauso viel verlangen, wie ich in der Tasche habe; ein bisschen weniger, um sich nicht zu verraten», dachte ich. Ich hielt den Atem an. Der Matrose fragte, wer denn der Mann sei, der sich einschiffen wolle; aber weil die Frau schwieg, da sie eine Antwort für überflüssig hielt (wie schlecht sie schauspielerten!), sagte er:«Sechzigtausend. »
Ich streckte mich wieder auf dem Klappbett aus, diese Antwort hatte mich plötzlich getröstet, und ich lachte über die nichtigen Phantasien, die ich so hartnäckig nährte. Ich besaß nicht mehr als zwanzigtausend Lire. Wenn der Mann jedoch sechzigtausend verlangte, war er tatsächlich ein Seemann. Er hatte nicht abgelehnt, und dies war ein gutes Zeichen; er erwies sich also als ein Mann, der an ähnliche Abenteuer gewöhnt war. Dass er nicht neunzehntausend Lire verlangt hatte, war ein vortreffliches Zeichen. Es wäre gewiss sinnlos gewesen, diesen Seemann zu überreden, einen Vorschuss anzunehmen und auf den Rest
zu warten, bis wir in Italien wären; aber seine trockene Antwort war eine Gewähr für Ernsthaftigkeit. Er hatte die Summe mit der Stimme eines Pokerspielers genannt, der den Einsatz erhöht.
Als die Frau zu mir ans Bett kam, mir ein Zeichen gab, dass ich hineingehen solle, und flüsterte:«Er ist der Kapitän eines Frachters», streichelte ich ihr dankbar über die Hüften. Rasch zog ich die Hose und das Hemd an, von dem ich allerdings vorher die Rangabzeichen entfernte.
Die Frau
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