Alles hat seine Zeit
Carabinieri waren hier, um auf mich zu warten; was sollten sie sonst wohl tun? Es hatte nie so viele Carabinieri an der Tür solcher Ämter gegeben. Sie erwarteten mich, sie wussten, dass ich hierherkommen würde, von jenen Stempeln angelockt,
welche die Einschiffung und acht Tage später Italien bedeuteten.
Jetzt kam ein weiterer Carabiniere das Treppchen des Dampfers herunter und gesellte sich zu den beiden anderen, die schon miteinander sprachen. Ich nahm den Tornister und entfernte mich, indem ich so tat, als suchte ich etwas, das ich verloren hatte. Sieh da, das Schiff war bereit: wahrhaftig eine allzu große Falle für eine so kleine Maus. Bestimmt erwartete mich ein weiterer Carabiniere in der Offiziersmesse, während er die Zeitung las, nach der Uhr sah und sich über meine Verspätung wunderte. Und der Soldat, der breitbeinig unter dem Ventilator saß, kannte meinen Namen, und wenn ich in seine Amtsstube einträte, würde er dem Carabiniere ein Zeichen geben, ein im Voraus verabredetes Zeichen, um mich daran zu hindern, Dummheiten zu machen, die Pistole zu ziehen. Und dieser Krankenwagen, der hinter dem Zoll schon bereitstand und dessen Fahrer schlief, als habe man ihn erschossen, war für mich bestimmt. Der Sanitäter kannte meinen Namen. Alle kannten meinen Namen.
Ich durfte nichts riskieren. Ein Oberleutnant ist rasch identifiziert. Es nützt nichts, sich den Schnurrbart abzuschneiden. Es bleiben doch die verbundene Hand, die Haarfarbe und andere Besonderheiten, die der Doktor sich gemerkt haben
muss, eben gerade weil er faul ist. Ich durfte nicht mit den richtigen Papieren an Bord des Dampfers gehen, sondern musste mich hineinschmuggeln, mich verstecken und mich unter die Truppe mischen, die er transportieren würde. Es war ein gewagtes Unternehmen, aber ich musste es versuchen. Während ich zum Dampfer zurückkehrte, waren zwei Matrosen gerade dabei, das Treppchen hochzuziehen, und zwar um zu verhindern, dass weitere ungeduldige Offiziere noch vor der festgesetzten Zeit einstiegen.
Ich ging zur Bar und setzte mich. Nach einer Stunde war ich erschöpft, erledigt; ich wäre zum Etappenkommando zurückgekehrt, um mich zu stellen, wenn der Heizer mir nicht im Vorbeigehen zugelächelt hätte, sicherlich um sich seine Unhöflichkeit von vorher verzeihen zu lassen. Er ging breitbeinig davon, bleich und von der Hitze ermattet. Er suchte vielleicht ein Haus, wo er den Nachmittag verbringen konnte, ehe er wieder in seinen Kochkessel eintauchte; aber als ich ihn einholte, betrachtete er mich mit plötzlichem Misstrauen. Wir traten in ein Haus ein, der Heizer hatte es gewiss eilig, mit der Frau allein zu sein (ich sah sie halbnackt im Türrahmen vorbeigehen, sie begann sich zu waschen, ebenfalls matt von der Hitze und vollkommen taub für unser Gespräch), und nur ungern entschloss er sich, mich
anzuhören. Er stand lange nachdenklich da, er traute der Sache nicht, und schließlich sagte er:«Unmöglich.»
Die Frau wusch sich und sah mich über den Wandschirm hinweg an. Ich lächelte ihr zu, dieses trübe Gesicht wurde von einer roten Schleife im Haar aufgehellt; es war ein ruhiges Gesicht, das den Verfall des Körpers überlebt hatte. Ich lächelte ihr also zu und fing wieder an, den Heizer zu überreden, er solle mich anhören. Aber ich sah seine ausdruckslosen Augen sich in der Anstrengung der Langeweile verlieren.«Unmöglich», wiederholte er mit einem müden Gähnen. Er wollte keine Scherereien, er würde zu viele Mitwisser bezahlen müssen.
Die Frau kam und streckte sich auf dem Bett aus, halbnackt. Sie war eine Eingeborene und hörte unserem Gespräch heiter zu. Keiner sagte ihr, dass sie gehen solle, und ich meinte, sie verstehe uns nicht. Die Hitze war so stark, dass sie sich ganz auszog und nackt dalag, gleichgültig, mit einem verlorenen, zur Decke gerichteten Blick. Als ich zu Ende gesprochen hatte, sagte die Frau, ohne sich zu rühren (und ihre Stimme überraschte mich, wie eine völlig unvermutete Klangüberlagerung):«Aber ja, was kostet’s dich schon?»
Der Heizer antwortete nicht einmal; er legte sich aufs Bett, und ich fürchtete, er würde einschlafen.
Da zog ich das Geld hervor, und ich sah, dass es eine Versuchung für ihn war, aber er wollte sich nicht entscheiden.«Ich muss erst hören, was die Freunde sagen», meinte er schließlich; doch er schien zu bereuen, etwas versprochen zu haben, wenn auch nur sehr unbestimmt. Als ich ihm ein paar Geldscheine hinlegte, wurde er redseliger; er
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