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Alles hat seine Zeit

Titel: Alles hat seine Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ennio Flaiano
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gemalten Namen, doch es gab kein Lebenszeichen von sich. Ja, es ging jener Hauch von Verlassenheit von ihm aus, der eine verspätete Abreise voraussehen lässt oder sogar, dass es überhaupt keine Abreise gibt. Doch ich wusste, dass es spät in der Nacht abfahren würde.
    Ich stieg die kleine Treppe hinauf und befand mich auf dem Promenadendeck. Dort oben war ein angenehmer Duft nach warmem Firnis und weiter nichts, nicht mehr jener fast unmerkliche Geruch, der bisweilen an Land von den Dingen ausging, die mich umgaben. Warmer Firnis, der gute, liebe warme Firnis der Boote, die in der Sonne liegen, ein Geruch, der mich mit Vertrauen erfüllte und einschläferte. Ich betrat den Salon, und hier war die Luft heißer, aber wie heimelig. Ich betrachtete einen Diwan, und er kam mir vor wie das Allerneuste auf der Welt. Es standen auch
viele Sessel herum, und auf einem Tisch stand ein Tablett mit drei Kristallgläsern. Ich nahm eines davon in die Hand: Es war ein hohes, leichtes Glas, und als ich mit einem Fingernagel daran stieß, gab es einen Klang von sich, den ich seit langer Zeit nicht gehört hatte, einen festlichen, vielversprechenden Klang.
    Wie von diesem Klang gerufen, trat ein halbnackter Mann ein und fragte mich, was ich wolle. Es war sicherlich ein Maschinist, er hatte noch Ölspuren an den Schläfen und sah müde und verschlafen aus. Vielleicht war er der einzige Mensch auf dem Schiff, der wach war, die anderen mussten wohl erschöpft in den Kojen schlafen. Ich sagte zu ihm, ich sei hier, um mich einzuschiffen, in Urlaub. Er antwortete mir, es sei noch nicht Zeit, an Bord zu gehen, ich solle das Schiff verlassen: Niemand dürfe vor der festgesetzten Stunde das Schiff betreten.
    «Ich bin Offizier», sagte ich. Aber da hatte ich einen Fehler gemacht. Gerade weil ich Offizier war, wollte er mich demütigen.«Mein Urlaubsschein ist in Ordnung», fügte ich hinzu.
    Er schaute das Blatt ohne Neugier an, dann sagte er:«Und die Stempel? Lassen Sie ihn wenigstens abstempeln. Und steigen Sie nicht vor der festgesetzten Zeit ein.»
    «Um wie viel Uhr?», fragte ich. Und ich war
nicht imstande, meine Rede anzubringen, die ich seit dem Augenblick meiner Flucht vorbereitete.
    «Ich weiß nicht.»Er stellte sich an die Treppe, während ich hinunterstieg. Den Urlaubsschein abstempeln? Ich stand auf dem Kai in der Sonne, ehe ich mich entschloss, das Etappenkommando an demselben Kai aufzusuchen. Eine Neugier, stärker als alle Furcht, trieb mich zu diesem Büro.
    Die Kommandostelle war geöffnet, ein Soldat in kurzen Hosen hatte sich mit gespreizten Beinen unter den Flügelventilator gesetzt und schaute den Dampfer an; er schaute ihn starr an, ohne ihn zu sehen, mit dem verlorenen Blick, den man von der Hitze und Schläfrigkeit im Sonnenglast bekommt. Ein Carabiniere saß ebenfalls auf der Türschwelle, im Schatten, und sah den Dampfer an. Er hob die Augen bis zum Schornstein, dann zählte er die Bullaugen, die Rettungsboote, und wieder sah er den Schornstein, die Radioantennen und die schmutzige, schlaffe Fahne an. Ein weiterer Carabiniere, in kurzen Hosen, stand im Hintergrund an einen Bogen gelehnt und fächelte sich mit einem Papierfächer Luft zu. Auch er betrachtete den Dampfer, die Ankerketten, das schmutzige Wasser, das rings um den Schiffsrumpf trieb, und er buchstabierte den mit weißen Lettern geschriebenen Namen.
    Sonst war um diese Zeit niemand auf dem Kai;
die Verladearbeiten waren erledigt, die eingeborenen Träger in ihren Höhlen, und so blieben nur ich, der Soldat mit den gespreizten Beinen und die beiden Carabinieri auf dem Kai. Alle sahen wir den leeren Dampfer mit derselben Sehnsucht an. Der Heizer stieg vom Schiff herunter und ging, um mit dem Carabiniere zu reden. Ich hörte nicht, was er zu ihm sagte. Dann machte er sich mit seinem schwankenden und müden Schritt auf den Weg zu einer Bar.
    Vielleicht war dies der günstige Augenblick, um ins Etappenkommando hineinzugehen und sich einen Stempel auf den Schein drücken zu lassen, den sie nicht einmal ansehen würden. Ich ging näher heran, wobei ich versuchte, den Carabiniere nicht von seiner Betrachtung des Dampfers abzulenken, aber als ich zehn Schritte von der Tür entfernt war, sah ich, dass der Carabiniere auf dem Kai aus seinem Nachsinnen erwachte und sich zum Kommando wandte, vielleicht wollte er mit dem Carabiniere und dem Soldaten nur ein bisschen schwatzen. Ich blieb stehen und tat so, als interessierte ich mich für den Dampfer. Diese

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