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Alles hat seine Zeit

Titel: Alles hat seine Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ennio Flaiano
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Stille von einer Trompete durchbrochen, der Weckruf erscholl. Aber wo war die Kaserne? Gerade unten am Hügel, wo der Abhang sanft in die Ebene überging.
    Es waren lange, grau gestrichene Baracken, bisher hatte ich sie nicht bemerkt. Jener große freie Platz war das Sportfeld, unverwechselbar mit der Mauer ringsherum und der Böschung, die eine der Schmalseiten abschloss. Ich sah, wie beim Klang der Trompete aus allen Baracken Männer mit nacktem Oberkörper herauskamen, die sich waschen gingen; aber es drangen keine Rufe zu mir. Nach einer Weile verschwanden alle, und auf diese Szene folgte eine andere.
    Zuerst kam ein bewaffneter Trupp, vielleicht zwanzig Mann, von einem Offizier angeführt,
dann die Männer von der Wache mit dem diensthabenden Offizier. Sie mussten die Fahne aufziehen. Seltsam, der Wachtoffizier trug eine blaue Schärpe; ich hatte keine mehr gesehen seit meiner Abreise aus Italien. Dann kamen nach und nach alle Kompanien, acht waren es, aus den Baracken heraus und stellten sich im Karree in der Mitte des Feldes auf. Die Soldaten waren in langen Hosen und im Waffenrock. Vielleicht feierten sie den Jahrestag des Regiments oder irgendeinen anderen militärischen Gedenktag, wenigstens wenn es nicht Sonntag war. Es war nicht Sonntag, es handelte sich nicht um die Messe. Man hörte nur trockene Befehle, dann blies der Trompeter«Habt acht!», und ein Soldat zog die Fahne hoch. Die Fahne blieb unbeweglich, um den Mast herumgewickelt, während die Truppe die Waffen präsentierte.
    Weitere Befehle drangen zu mir. Die Mannschaften, die sich auf der Seite der Böschung aufgestellt hatten, setzten sich in Bewegung und räumten den Platz. Nach dem«Rührt euch!»blieb die Truppe still und schweigsam, während die Offiziere sich außerhalb des Vierecks versammelten und redeten, aber dabei immer ihre Mannschaften im Auge behielten und ab und zu einen Befehl riefen, der sofort ausgeführt wurde, mit einer Schnelligkeit, die mich verblüffte.

    «Das Regiment ist vor kurzem angekommen», dachte ich,«wenn die noch so herumrennen.»
    Die Zeit verging, und es geschah nichts. Ich war versucht wegzugehen; aber die Müdigkeit verleitete mich zu bleiben, und ich verwarf den Gedanken, ins Haus der Frau zurückzukehren, das noch von meinem und ihrem warmen nächtlichen Atem erfüllt war.
    Die Männer standen noch immer unbeweglich an ihrem Platz, niemand bat um die Erlaubnis auszutreten, wie es sonst oft vorkommt, wenn ein Regiment lange Zeit in«Rührt euch!»-Stellung steht. Kein einziger Soldat hatte sich hingesetzt oder den Helm abgenommen. Alle schwiegen, nur die Offiziere, die in Gruppen beisammenstanden, redeten, jedoch leise, ohne sich zu ereifern. Es verging noch eine lange Zeit. Zwischen den Baracken kamen ein paar Soldaten in Unterhosen zum Vorschein, zogen sich aber sogleich zurück, da sie es für klug hielten, sich nicht blicken zu lassen. Es waren die Köche, einige, die Stubendienst hatten, und die Kranken. Niemand rührte sich. Bald würde die Sonne aufgehen. Ein Schiff lief aus dem Hafen aus (nicht jenes rote und graue), und die Sirene heulte lange, dreimal. Die Soldaten rührten sich nicht; einige wandten nur eben den Kopf zum Hafen. Und jetzt, da ein Hund aus einer Baracke auftauchte und mit Freudensprüngen
auf die in einer Reihe dastehende Truppe zurannte, lief ein Soldat ihm entgegen und begann Steine nach ihm zu werfen, bis der Hund sich entschloss umzukehren, wobei er hin und wieder stehenblieb, um zu schauen, ob wirklich er der Gegenstand dieses ungewohnten Empfangs sei. Er bekam einen Treffer auf den Buckel, und dann floh er und ließ sich nicht mehr blicken.«Der Oberst hasst wahrscheinlich Hunde», dachte ich.
    Einen Augenblick später betrat ein Offizier das Feld, der von der Hauptbaracke herbeigelaufen kam, und gleich darauf hörte ich weitere Befehle, diesmal entschlossener, die entscheidenden Befehle der großen Begebenheiten. Vielleicht war es ein General, der bei einem seiner Regimenter die Parade abnehmen wollte; doch das war sonderbar um diese Tageszeit. Aber dann fand ich es gar nicht mehr so sonderbar, die Hitze würde bald jede Bewegung und Schwenkung beschwerlich machen.
    Aus der Hauptbaracke kam jetzt ein kleiner Zug hervor. Verschiedene Offiziere waren dabei und der Regimentskaplan in Chorrock und Stola. Vielleicht sollten sie die neue Regimentsfahne weihen, die in jenem Kasten neben der Fahnenstange lag. Der kleine Zug ging bis zum Fahnenmast vor und stellte sich gegenüber dem

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