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Alles hat seine Zeit

Titel: Alles hat seine Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ennio Flaiano
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Strauch, nicht einmal die mittelmäßigsten Tage und die düstersten Nächte oder die Leute, die ich hasse: nichts.»
    Ich lag eine halbe Stunde dort, bis der Boden kochend heiß wurde. Verschiedene Trompetenklänge hatten mir verkündet, dass das Kasernenleben wieder seinen normalen Lauf nahm. Jetzt rannte der Hund frei auf dem Platz umher, und nur zwischen den Baracken verweilten noch einige Soldaten, um zur Böschung hinüberzusehen. Da stieg ich wieder zur Ebene hinab, und ich war glücklich, denn ich hatte beschlossen zu leben.

4
    Dieser Tag ging vorüber. Als es Nacht wurde, kehrte ich nicht zu der Frau zurück. Im Inneren in der Stadt hatte ich einige Baracken bemerkt, welche Truppenteilen zur Verfügung standen, die sich einschiffen sollten, im Augenblick aber leer waren. Ich richtete mich in der Baracke mit den Duschen ein und blieb dort, um der höllischen Hitze der Straße zu entfliehen. Viele Stunden verbrachte ich auf dem Boden ausgestreckt und versuchte durch Waschen den Juckreiz zu lindern, den die Flecken auf Bauch und Armen verursachten. Sie waren schlimmer geworden.
    Bisweilen lächelte ich beim Gedanken an die Carabinieri, die vielleicht herumliefen und mich suchten und nicht wussten, dass ich nur zwei Schritte von ihnen entfernt war. Aber das waren kurze Anwandlungen von Optimismus. Sogleich erhob sich die angstvolle Sehnsucht abzureisen, und ich musste mich mit tausend Vernunftgründen besänftigen. Ich hatte viele Tage Zeit, um das Geld aufzutreiben, und ich überlegte mir, ob ich am nächsten Tag zu Mariam zurückkehren sollte; sogar ihre Ersparnisse würde ich annehmen, ich musste mir endgültig die albernen Phantasien aus dem Kopf schlagen, die mich ängstigten.
    So wartete ich auf die Morgenfrühe und mit ihr
auf den ersten Schlaf nach so vielen Nächten. Ich ging gestärkt daraus hervor und sagte mir immer wieder, dass ich in zwanzig Tagen in Italien sein würde. Zehn Tage, um das Geld aufzutreiben. Fast zu lange. Irgendetwas würde ich tun, und obschon ich nicht genau zu sagen wusste, was, spürte ich doch, dass es mir nicht an der Gelegenheit mangeln würde, mir die zweiunddreißigtausend Lire, die ich brauchte, zu verschaffen.
    Als ich mich zu Mariam begab, erwartete ich nicht, denjenigen bei ihr anzutreffen, den ich dort traf. Aber war nicht ich es gewesen, der ihm diesen Weg gewiesen hatte? Ich fand dort den Major aus A., den beleibten und selbstsicheren Major aus A. Er duschte sich gerade.
    «Was machen denn Sie in dieser Gegend?», fragte er sogleich lachend. Ich hatte mich nicht mehr zurückziehen können, und er hatte mich gesehen. Aber warum lachte er? Er wusste also nichts von der Sache mit dem Doktor, oder der Doktor hatte nicht geredet. Ich versuchte ebenfalls zu lachen. Ich sagte, dass ich Urlaub hätte, und zeigte ihm den Schein. Er brach in ein breites Gelächter aus und fügte hinzu, das kenne man ja, es seien nun schon Monate, dass er mich herumspazieren sehe. Dann fragte er mich, ob ich nach Italien ginge, und ich bejahte. Er trat hinter dem Wandschirm hervor, halbnackt, er hatte nur ein
Handtuch um den Bauch gewickelt, und mit einem anderen Handtuch rieb er sich die Brust und den Rücken ab. Er war von bleicher Hautfarbe, hatte eine weibische Brust und hagere Beine, und sein Gesicht drückte ein Rätsel aus, das ich nicht lösen wollte. Sein Bauch, nun nicht mehr zusammengehalten, quoll mächtig hervor. Er setzte sich auf Mariams Bett und fing wieder an, sich abzureiben. Er war beinahe erfreut, dass ich ihn in diesem Haus überrascht hatte, wo er schon dazugehörte. Wir gehörten alle dazu. Aber er freute sich darüber.
    Ich fragte ihn, ob er schon lange von A. fort sei, und er entgegnete, dass er vor etwa zwei, drei Tagen von dort weggegangen sei. Dann konnte er also nichts wissen, und die kurze Hoffnung, die mich getröstet hatte, schwand dahin. Eine Aufgabe blieb mir, nämlich so vorzugehen, dass er nie etwas erfahren und meine Einschiffung nicht aufs Spiel setzen konnte. Eine leichte Aufgabe: Er kannte meinen Namen nicht, wir hatten uns nur flüchtig vorgestellt, und er konnte ihn nicht behalten haben. Jetzt würde ich ihm einen anderen Namen angeben. Ich schien ihm sympathisch zu sein. In seinen Augen war ich einer jener Offiziere, von denen man sich in jedem Regiment die tollsten Märchen erzählt: Sie taugen zu nichts, schlafen ein, wenn der General zur Inspektion kommt,
oder lassen aus Zerstreutheit die Pulverkammer in die Luft fliegen. Und er war allzu

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