Alles ist erleuchtet
gehockt habe und nach Hause kam. Ich will dir sagen (weil du der einzige Mensch bist, dem ich das sagen kann), dass ich ihn von hinter der Ecke zwischen der Küche und dem Fernsehzimmer bespioniere. In der ersten Nacht, als ich ihn weinen sah, untersuchte er einen alten Lederbeutel, in dem viele Fotos und Papierstücke waren, wie in Augustines Schachteln. Die Fotos waren gelb und die Papierstücke auch. Ich bin sicher, dass er Erinnerungen daran hatte, als er noch ein Junge war und kein alter Mann. In der zweiten Nacht, als er weinte, hatte er das Foto von Augustine in der Hand. Der Wetterbericht war an, aber es war so spät, dass sie nur ein Bild der Erde zeigten, ohne irgendein Wetter. »Augustine«, sagte er, »Augustine.« In der dritten Nacht, als er weinte, hatte er ein Foto von dir in der Hand. Es ist möglich, dass er es von meinem Schreibtisch genommen hat, wo ich alle Fotos habe, die du mir geschickt hast. Er sagte wieder »Augustine«, obwohl ich nicht verstehe, warum.
Klein-Igor hat gesagt, dass ich dir hallo von ihm sagen soll. Er kennt dich natürlich nicht, aber ich habe ihm sehr viel von dir erzählt. Ich habe ihm erzählt, dass du so witzig bist und so intelligent, und auch, dass wir über bedeutende Dinge genauso sprechen können wie über Fürze. Ich habe ihm sogar erzählt, dass du Beutel mit Erde gefüllt hast, als wir in Trachimbrod waren. Ich habe ihm alles erzählt, das ich erinnern kann, denn ich will, dass er dich kennt, und außerdem macht mir das das Gefühl, du bist nah und gar nicht weggefahren. Du wirst lachen, aber ich habe ihm eins der Fotos von uns geschenkt, das du geschickt hast. Er ist ein sehr guter Junge, sogar besser als ich, und er hat noch die Möglichkeit, ein sehr guter Mann zu werden. Ich bin sicher, dass du von ihm besänftigt sein würdest.
Vater und Mutter sind wie immer, aber mehr bescheiden. Mutter hat aufgehört, Abendessen für Vater zu kochen, um ihn zu bestrafen, weil er nie zum Abendessen nach Hause kommt. Sie wollte ihn ärgern, aber er gibt einen Scheiß darauf (ja? einen Scheiß daraufgeben?), weil er nie zum Abendessen nach Hause kommt. Er isst sehr oft mit seinen Freunden in einem Restaurant, und er trinkt Wodka in Clubs, aber nicht in berühmten Clubs. Ich bin sicher, dass Vater mehr Freunde hat als der Rest der Familie zusammen. Er stößt viele Dinge um, wenn er verspätet in der Nacht nach Hause kommt. Klein-Igor und ich machen später sauber und stellen sie an ihren richtigen Platz. (Ich habe Klein-Igor bei diesen Gelegenheiten bei mir.) Die Lampe gehört hierhin. Das Wandbild gehört dahin. Der Teller gehört hierhin, und das Telefon gehört dorthin. (Wenn Klein-Igor und ich die Wohnung haben, werden wir alles total sauber halten. Kein Stück Staub.) Um wahrheitlich zu sein: Ich vermisse Vater nicht, wenn er so viel weg ist. Er könnte jede Nacht bei seinen Freunden sein, und ich würde zufrieden sein. Ich will dir sagen, letzte Nacht hat er Klein-Igor erweckt, als er vom Wodkatrinken mit seinen Freunden nach Hause kam. Das war mein Fehler, weil ich nicht darauf beharrt habe, dass Klein-Igor seine Schnarcher in meinem Zimmer macht, wie er es jetzt tut. Sollte ich Schlaf falschen? Hat Mutter Schlaf gefälscht? Ich war in meinem Bett, und es war eine kosmische Sache, denn ich las in diesem Moment den Teil über Jankels Tod. »Alles für Brod«, schreibt er, und ich dachte: »Alles für Klein-Igor.«
Was dein Buch angeht, so bin ich zu Boden geschlagen wegen Brod. Sie ist ein guter Mensch in einer schlechten Welt. Jeder lügt zu ihr. Selbst ihr Vater, der gar nicht ihr wirklicher Vater ist. Sie haben beide Geheimnisse, die sie sich nicht sagen. Ich habe daran gedacht, als du gesagt hast, dass Brod »niemals glücklich und ehrlich zugleich« sein würde. Fühlst du dich auch so?
Ich verstehe, was du schreibst, wenn du schreibst, dass Brod Jankel nicht liebt. Es bedeutet nicht, dass sie nicht stark für ihn fühlt oder dass sie nicht melancholisch ist, wenn er stirbt. Es ist etwas anderes. In deinem Buch ist Liebe die Unbeweglichkeit der Wahrheit. Brod ist nicht wahrheitlich mit irgendetwas. Nicht mit Jankel und nicht mit sich selbst. Alles ist eine ganze Welt von der wirklichen Welt entfernt. Macht das einen sinnvollen Sinn? Wenn ich mich anhöre wie ein Denker, dann ist das eine Ehrfürchtung vor deinem Buch.
Dieser vollendete Teil, den du mir gegeben hast, der Teil über den Trachimtag, war wirklich am meisten vollendet. Ich stehe hier mit nichts,
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