Alles Ist Ewig
im letzten Jahr, nachdem die Wahrheit ans Licht gekommen und der Name ihres Mannes reingewaschen worden war, hatte sie erhebliche Fortschritte gemacht. Sie war nun fast wieder die fröhliche, herzliche Frau, die sie einmal gewesen war. Allerdings hatte sie immer noch Schwierigkeiten damit, Dinge auf den Punkt zu bringen.
»Wir hatten gehofft, du wüsstest vielleicht, wo Beau ist.«
Haven ließ sich zurück in die Kissen sinken. Das war ja mal wieder typisch Beau – einfach die Stadt zu verlassen, ohne jemanden zu sagen, wo er hinwollte. »Er ist nach New York geflogen«, erklärte Haven. »Alles andere erzähle ich dir morgen. Und jetzt lass mich weiterschlafen.«
»Von den Reiseplänen weiß Ben ja«, sagte Mae schnell, bevor Haven auflegen konnte. »Beau hätte ihn gestern Abend anrufen sollen, nachdem er angekommen ist. Sein Flugzeug ist um zehn gelandet, aber er hat sich nicht gemeldet. Du hast auch nichts von ihm gehört, oder?«
»Nein.« Haven wurde plötzlich kalt.
»Oh.« Maes Stimme klang zaghaft.
»Macht Mr Decker sich Sorgen?« Beaus Vater war zwanzig Jahre lang bei der Army gewesen. Er ließ sich nicht so leicht aus der Ruhe bringen.
»Langsam schon«, erwiderte Mae. »Ich glaube, er war sowieso nicht besonders glücklich über Beaus Trip nach New York, aber er konnte natürlich nicht viel dagegen tun. Und jetzt, wo er ihn nicht erreicht, ist er etwas unruhig. Ben sagt, dass Beau normalerweise sehr zuverlässig ist, wenn es darum geht, sich zu melden. Im Gegensatz zu manch anderen Leuten.«
Haven ließ den Seitenhieb kommentarlos an sich abprallen. »Es geht ihm bestimmt gut«, entgegnete sie, mehr um sich selbst zu beruhigen als ihre Mutter.
»Dann kennst du diesen Mann, den er dort treffen wollte?«
»Nicht persönlich, aber ich weiß seinen Namen. Roy Bradford.«
»Den hat Beau seinem Vater auch genannt. Er meinte, er hätte diesen Roy auf irgend so einer Internetseite kennengelernt. Aber als Ben dort gestern nach diesem Namen gesucht hat, hat er niemanden gefunden.«
»Sag Mr Decker, er soll mal in der Columbia University anrufen«, schlug Haven vor. »Beau hat mir erzählt, dass der Typ da studiert.«
»Das hat Ben auch schon versucht. Dort ist kein Student namens Roy Bradford eingeschrieben.«
»Hat er im Telefonbuch nachgesehen?«, fragte Haven.
»Ja. Es gibt drei Leute in Manhattan mit diesem Namen. Keiner von denen hat je etwas von Beau gehört.«
Haven durchforstete ihr Gehirn nach einer weiteren Möglichkeit, doch ihr fiel nichts ein.
»Haven?« Die Stimme ihrer Mutter riss sie aus ihren Gedanken. »Ich weiß, du bist jetzt volljährig und so. Und ich weiß auch, dass du dein eigenes Geld verdienst, aber meinst du nicht, du solltest vielleicht nach Hause kommen? Es würde Ben sicher helfen, wenn du hier wärst.«
»Beau geht es bestimmt gut«, wiederholte Haven. Diesmal glaubte sie selbst nicht daran. »Er ruft ganz sicher bald einen von uns an.«
Mae seufzte. »Wenn er dich anruft, sagst du ihm dann, dass er sich bei seinem Vater melden soll?«
»Natürlich«, versprach Haven.
»Na, dann schlaf jetzt weiter, Liebes«, sagte Mae. »Tut mir leid, dass ich dich wecken musste.«
Nach dieser Nachricht wieder einzuschlafen war unmöglich. Nachdem Haven aufgelegt hatte, saß sie einfach bloß da und hielt noch immer den Telefonhörer umklammert.
»Was ist denn los?«, wollte Iain wissen, der während des Telefonats wach geworden war. »Was ist passiert? War das deine Mom?«
»Beau ist verschwunden.« Das Leuchten ihres Handydisplays erlosch, und Haven starrte in die Dunkelheit. Am Telefon hatte sie versucht, gelassen zu klingen, jetzt aber drohte die Angst sie zu verschlingen. »Er hat sich gestern auf den Weg nach New York gemacht, und seither hat niemand mehr etwas von ihm gehört. Beaus Dad hat versucht, Roy Bradford ausfindig zu machen, aber der Typ scheint gar nicht zu existieren.«
Iains warme Hand umschloss ihre Schulter. »Könnte es vielleicht sein, dass Beau dir eine Mail geschrieben hat?«
Hoffnung durchströmte Haven. Sie war den ganzen Tag unterwegs gewesen und hatte keine Gelegenheit gehabt, ihre E-Mails zu checken. »Vielleicht«, sagte sie und tippte auch schon das Passwort ihres E-Mail-Accounts ein. »Ja!«, rief sie aufgeregt, als sie den ungeöffneten Briefumschlag neben Beaus Namen sah. Sie klickte das Symbol an, und die Nachricht erschien.
PAN-PAN, PAN-PAN, war alles, was darin stand. Das Handy rutschte Haven aus den Fingern, als sie die Worte las.
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