Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Alles Ist Ewig

Alles Ist Ewig

Titel: Alles Ist Ewig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kirsten Miller
Vom Netzwerk:
gestiegen und im nächsten Moment spurlos verschwunden. Die Polizisten rieten Beaus Vater, sich auf das Schlimmste gefasst zu machen. Aber Haven war sich sicher, dass es noch nicht zu spät war, um ihren besten Freund zu retten. Und dieses unbestimmte Gefühl, das jeder Grundlage entbehrte, sorgte dafür, dass sie nicht verrückt wurde.
    An zwei Tagen in Folge quälte sie sich morgens noch vor Einbruch der Dämmerung aus dem Bett und ging allein zu dem Palazzo, den Iain ihr gezeigt hatte. Von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang stand sie wie erstarrt auf dem Platz, in der Hoffnung, mehr Visionen über ihre Vergangenheit heraufzubeschwören. Sie bemerkte weder die Touristen, die Fotos von ihr schossen, noch die Einheimischen, die tuschelten und sich über sie lustig machten. Iain bot an, ihr Gesellschaft zu leisten, aber Haven wollte durch nichts abgelenkt werden. Sie musste mehr über das Leben erfahren, das Beatrice und ihr Bruder in diesem Haus geführt hatten. Und vor allem musste sie Naddo sehen.
    Doch die Vision, auf die Haven so sehr hoffte, blieb aus. Ein paarmal flackerten bruchstückhafte Szenen aus dem mittelalterlichen Florenz auf – ein Seil, das aus einem Fenster im dritten Stock geworfen wurde. Piero, der daran an dem Gebäude hinabkletterte, und Beatrice, die das Seil anschließend wieder hochzog. Beatrice, die sich in einem Schrank versteckte, während ihre Mutter wütend das Haus nach ihr absuchte. Aber Haven sah nichts, was ihr dabei helfen würde, Beau zu finden. Trotzdem wartete sie. Und je länger sie vor der Villa stand, desto düsterer wurden die Visionen. Sie sah, wie der Familienbesitz der Vettoris auf Karren geladen und eilig abtransportiert wurde. Die Fahrer mussten dabei einen Bogen um die Leichen machen, die auf der Straße lagen. Später sah sie die Pestärzte, die sich wie eine Horde Aasgeier auf das Haus stürzten. Jeder von ihnen trug einen langen schwarzen Umhang und eine grausige, vogelartige Maske. Ihre Gelage dauerten bis spät in die Nacht.
    Als Haven am dritten Tag vor der Villa Wache stand, war Iain gerade mit dem Zug nach Rom unterwegs, um Geld zu holen, das sie dringend benötigten, und Kleidung zum Wechseln. Am Abend zuvor hatten sie ihr Gepäck aus dem Nobelhotel in eine heruntergekommene Jugendherberge am Stadtrand verfrachtet. Ihre neue Unterkunft roch nach Marihuana und Insektenspray. Nebenan feierten vier britische Studentinnen eine Party mit einer einheimischen Fußballmannschaft, während Haven und Iain sich auf ihrer durchgelegenen Matratze zusammenkuschelten, die Arme fest umeinander geschlungen. Haven, die nicht schlafen konnte, sah auf den goldenen Ring an ihrem Finger und wünschte, er könnte sie zurück in ihre Wohnung in Rom zaubern. Im Morgengrauen standen sie auf und machten sich zu Fuß auf den langen Weg ins Zentrum von Florenz. Als sie vor der Villa ankamen, steckte Iain fürsorglich Havens Schal in ihren Kragen und füllte ihre Taschen mit kleinen Snacks, die er auf dem Weg gekauft hatte. Haven sagte ihm nicht, dass sie sowieso nichts davon essen würde. Sie war einfach zu angespannt, um an Essen zu denken.
    Stunden später war Havens Magen noch immer leer, aber ihr Kopf dagegen voller schrecklicher Gedanken. Die Kirchenglocken läuteten gerade vierzehn Uhr, als plötzlich ihr Handy klingelte. Überzeugt, dass es Iain sein musste, der aus dem Zug anrief, nahm sie das Gespräch an, ohne auf die Nummer zu achten.
    »Haven Moore? Bist du’s?« Haven erkannte Leah Frizzells schleppenden Akzent sofort. Sie und Leah waren zusammen in East Tennessee aufgewachsen. Im winzigen Snope City waren sie beide Außenseiter gewesen, wobei Leah in jeder Stadt aufgefallen wäre. Sie war in einer Familie von Pfingstlern aufgewachsen, die in ihren Gottesdiensten mit Schlangen hantierten, und außerdem konnte sie hellsehen. Genau wie Haven wusste sie, was es bedeutete, über Fähigkeiten zu verfügen, die anderen Menschen Angst einjagten. Sie hätten von Anfang an Freundinnen sein können – oder eigentlich müssen. Doch Haven hatte in dem dürren rothaarigen Mädchen, das altmodische Sommerkleider zu Armeestiefeln trug, ebenso einen Freak gesehen wie alle anderen auch. Jahrelang war es ihr nicht in den Sinn gekommen, herauszufinden, was hinter Leahs exzentrischer Fassade steckte. Das war ein Fehler gewesen, den sie noch heute bereute.
    Als Haven schließlich Adam Rosier begegnete und die Ouroboros-Gesellschaft kennenlernte, hatte sie in der Außenseiterin aus Snope City

Weitere Kostenlose Bücher