Alles Ist Ewig
müssen jemanden finden, der uns ernst nimmt. Darum …«
»Iain, ich hab’s!«, rief Haven, die den Geistesblitz, der ihr gerade ins Gehirn gefahren war, nicht für sich behalten konnte. »Wenn Naddo jetzt in New York lebt und weiß, dass er wiedergeboren wurde, dann wette ich, dass er irgendwann mal Kontakt zur Ouroboros-Gesellschaft hatte. Selbst wenn er kein Mitglied sein sollte, haben die bestimmt eine Akte über ihn – und das heißt, die wissen ganz sicher auch, wie man ihn erreichen kann!«
Sie hatte erwartet, dass Iain sich über ihren genialen Einfall freuen würde. Stattdessen aber starrte er sie bloß ungläubig an.
»Ist dir eigentlich klar, was du da gerade gesagt hast?«, fragte er. »Wir können uns nicht an die Ouroboros-Gesellschaft wenden, Haven.«
»Es muss einen Weg geben«, beharrte Haven. »Hier geht es um Beau , Iain. Das bin ich ihm einfach schuldig.«
KAPITEL 9
A n einem Freitagmorgen, als sie in die siebte Klasse ging, hatte Haven in ihrem Klassenzimmer eine kitschige rosa Karte auf ihrem Pult gefunden. Es war eine Einladung zu einer Übernachtungsparty, die bei Morgan Murphy stattfinden sollte, dem beliebtesten Mädchen in ihrer Jahrgangsstufe. Sie und Haven waren beste Freundinnen gewesen, bis Havens Visionen alle außer Beau vergrault hatten. Jetzt sah Haven ihre Chance gekommen, sich den Platz an Morgans Seite zurückzuerobern.
An diesem Tag saß sie mittags in der Schulkantine neben Morgan und plauderte mit Mädchen, die seit drei Jahren nicht mehr mit ihr geredet hatten, während Beau allein draußen aß. Nach der Schule war Haven aufgeregt nach Hause gelaufen, um ihrer Großmutter die Neuigkeit zu erzählen, die die Einladung als Zeichen dafür sah, dass die Familienschande nun endlich ein Ende haben würde.
Am nächsten Abend, einem Samstag, fuhr Mae Moore sie zum Haus der Murphys. Haven schleppte ihren Schlafsack zur Haustür und klingelte. Es dauerte ein paar Minuten, bis sie begriff, dass niemand zu Hause war. Die Murphys waren nicht da. Es gab gar keine Party.
Haven hätte ihre Mutter anrufen müssen, damit sie sie wieder abholte, aber das tat sie nicht. Es begann bereits zu dämmern, und sie hielt nach einem Plätzchen Ausschau, an dem sie ihren Schlafsack ausrollen konnte. Der Gedanke, allein im Garten der Murphys zu übernachten, jagte ihr furchtbare Angst ein. Aber sie konnte niemandem von der Demütigung erzählen. Das Letzte, was sie wollte, war, ihrer Großmutter gegenüber zugeben zu müssen, dass man ihr einen grausamen Streich gespielt hatte.
In dem Moment tauchte Beau auf. Er sagte nicht viel; er nahm bloß Havens Schlafsack und legte ihr den Arm um die Schultern.
»Das nächste Mal, wenn du mich brauchst, schreib mir einfach pan-pan «, erklärte er ihr. »P-A-N, P-A-N. Mehr musst du nicht sagen.«
»Pan-pan?«, hatte Haven gefragt. »Was bedeutet das denn?«
»Mein Dad hat mir erzählt, dass sie das in der Army sagen. Ich glaube, das ist französisch oder so. Es bedeutet, dass du Hilfe brauchst.«
»Warum sagen sie dann nicht einfach ›Hilfe‹? Warum müssen sie mit so was Kompliziertem wie Französisch anfangen?«
»Woher soll ich das wissen? Und jetzt hör auf, Fragen zu stellen, und lass uns gehen. Ich hab Hunger bis unter die Arme. Hast du Lust auf Hot Dogs?«
»Au ja«, erwiderte Haven. Sie hatte seit Stunden nichts gegessen, und ihr lief schon das Wasser im Mund zusammen.
Zusammen liefen sie die eine Meile bis zum Haus der Deckers. In dieser Nacht kampierten sie dort im Garten. Beaus Vater hatte ein Lagerfeuer für sie angezündet, und sie blieben lange auf und rösteten Marshmallows. Niemand erwähnte mehr die Party. Es war einer der schönsten Abende in Havens ganzem Leben.
Haven ging in Gedanken ihre Kindheitserinnerungen durch und stieß auf Dutzende ähnlicher Szenen. Beau war immer für sie da gewesen – selbst als Haven seine Freundschaft gar nicht verdient gehabt hatte. Jetzt hatte sie die Chance, sich dafür zu revanchieren. Was auch immer dafür nötig sein würde, sie würde ihn nicht hängen lassen. Wo auch immer er war, sie würde ihn finden und wieder nach Hause bringen.
Zwei Tage vergingen, ohne dass Beau wieder auftauchte – genug Zeit, um als offiziell vermisst zu gelten. Ben Decker hatte die New Yorker Polizei verständigt, die nun nach seinem Sohn suchte, aber die Ergebnisse waren mehr als dürftig. Es gab einfach keine Spuren. Keinerlei Hinweise. Es schien, als wäre Beau am LaGuardia-Flughafen aus dem Flugzeug
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