Alles Ist Ewig
betrachtete. »Genau wie der letzte. Ich meine, der erste. Der erste Ring, den ich dir jemals geschenkt habe.«
»Als wir vor zweitausend Jahren zusammen nach Rom geflohen sind?«, wollte Haven wissen.
»Ja. Ich hab damals mein letztes Geld für diesen Ring ausgegeben, obwohl ich wirklich arm wie eine Kirchenmaus war. Darum ist der Stein auch nur aus Glas und nicht aus etwas Teurerem. Aber inzwischen ist er ja antik und …«
»Er ist wundervoll«, sagte Haven nur.
»Gut.« Iain atmete erleichtert auf. »Ich hab ihn in einem Laden gefunden, kurz bevor wir Rom verlassen haben, und da …«
»Hat er eine Bedeutung?«, fragte Haven.
Iain setzte sich neben sie und strich ihr eine Locke hinters Ohr, die ihr ins Gesicht gefallen war. »Er ist ein Symbol dafür, dass wir zusammengehören, und dass das auch immer so bleiben wird. Und er ist ein Versprechen, dass wir das, wenn du irgendwann dazu bereit bist, auch vor dem Gesetz offiziell machen können. Oder wir leben einfach für die nächsten sechzig Jahre weiter in wilder Ehe zusammen. Er bedeutet, was immer du willst, Haven.«
»Danke.« Der Kloß in Havens Hals hielt sie davon ab, noch mehr zu sagen. Sie hatte sich nie für die Art von Mädchen gehalten, die beim Anblick eines Schmuckstücks in Tränen ausbrach. Und Iains Gefühle für sie waren ihr auch nicht neu. Aus irgendeinem Grund aber fühlte Haven sich anders mit dem alten römischen Ring an ihrem Finger. Es lag eine Kraft darin, mit der sie nicht gerechnet hatte. Sie wusste, dass ihre Mutter sagen würde, Haven sei zu jung für so etwas. Mae Moore betete noch immer, dass ihre neunzehnjährige Tochter eines Tages nach Tennessee zurückkehren würde. Sie schien nicht zu begreifen, dass Haven ihr Zuhause anderswo gefunden hatte.
»Gern geschehen«, erwiderte Iain und beendete ihr Gespräch mit einem Kuss.
Später, als sie neben Iain im Bett lag, in nicht viel mehr als eine dünne Decke gehüllt, träumte Haven von dem florentinischen Mädchen, das sie vor siebenhundert Jahren gewesen war. Beatrice stand in einem leeren Zimmer und betrachtete ein Fresko. Das Mobiliar des Hauses war verschwunden, auf Wagen gepackt, die die Stadt am Tag zuvor verlassen hatten. Bald würden die Plünderer kommen und nichts übrig lassen als die bunten Malereien an den Wänden. Das Bild, vor dem Beatrice stand, zeigte den Kindermord in Bethlehem – die von König Herodes befohlene Hinrichtung aller männlichen Nachkommen der Stadt. Verzweifelte Frauen rannten durch die Straßen und versuchten, ihre Kinder vor den Schwertern der römischen Soldaten zu schützen. In der oberen linken Ecke des Freskos stand eine reglose Gestalt hinter einem Fenster und beobachtete das grausame Treiben.
Das Mädchen in Havens Traum war gerade einen Schritt näher an das Gemälde herangetreten, als es plötzlich Schritte hinter sich hörte. Es drehte sich um und sah eine Gruppe Frauen in den Raum kommen, einige davon jung, andere alt. Ein paar von ihnen waren Bäuerinnen, andere wiederum die Töchter oder Ehefrauen wohlhabender Männer. Eine der Frauen war sogar als Soldat verkleidet. Ganz vorne stand ein Mädchen, das nicht älter als elf Jahre alt sein konnte. Sein Gesicht war schmutzig und seine Kleider zerrissen, doch es sprach mit überraschender Autorität.
»Du hast deine Meinung also geändert?«, verlangte es zu wissen.
»Ja«, hörte Haven sich antworten.
Dann riss das Klingeln ihres Handys sie aus dem Schlaf.
KAPITEL 8
M om?«, stöhnte Haven in den Hörer. Es war stockdunkel im Zimmer, und Haven sah nichts außer dem schwachen Leuchten ihres Handydisplays. »Du weißt schon, dass wir euch sechs Stunden voraus sind, oder? Hier ist es erst drei Uhr morgens.«
»Tut mir leid, dass ich dich wecke, Liebes«, sagte Mae Moore. »Aber Ben Decker hat mich gebeten, dich anzurufen. Ich fürchte, es ist dringend.«
Haven setzte sich auf. »Ist irgendwas mit Beau?«, fragte sie, und im nächsten Moment schossen ihr tausend unterschiedliche Horrorszenarien durch den Kopf.
»Tja, also, das ist ja das Problem. Wir wissen es nicht. Und wir hatten gehofft, dass du vielleicht weißt …«
»Dass ich was weiß, Mama?« Während des größten Teils von Havens Leben hatte ihre Mutter alles getan, um der Realität zu entfliehen. Nach den verheerenden Gerüchten um den Tod ihres Mannes hatte Mae Moore sich vollkommen in sich zurückgezogen. Ihre Stimme war selten mehr als ein Flüstern gewesen, und sie konnte niemandem in die Augen sehen. Doch
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