Alles Ist Ewig
geworden – als ihr Vater starb und ihre Mutter seelisch labil wurde. Sie war bei ihrer Großmutter aufgewachsen und wusste, was es hieß, einem verbitterten Menschen ausgeliefert zu sein. Aber Haven hatte immer Beau gehabt. Sie dachte an sie beide immer noch wie an ein Geschwisterpaar aus einem Märchen, das durch einen tiefen, finsteren Wald irren musste, mit nichts als ein paar Brotkrumen, um sich nicht zu verlaufen. Gemeinsam hatten sie es geschafft. Allein wären sie jämmerlich zugrunde gegangen, daran hatte sie keinerlei Zweifel.
Haven kickte ihre Schuhe von den Füßen und kroch ins Bett. Sie schlang einen Arm um Iains Taille und kuschelte sich an seinen warmen Rücken. Dann schmiegte sie das Gesicht in seinen Nacken und atmete tief ein. Er roch nach zu Hause. Wann immer sie unglücklich war oder Angst hatte, brauchte sie nur den Duft seiner Haut einzuatmen und schon wurde ihr Bewusstsein von Tausenden schönen Erinnerungen durchflutet. Manchmal ging sie sie nacheinander durch und suchte sich eine besonders klare heraus, um sie ausgiebig zu genießen. Meistens aber schwelgte Haven in Erinnerungen an glückliche Wiedersehen, erste Küsse und lang ersehnte Berührungen. Näher konnte ein Mensch dem Himmel nicht kommen. Und genau das war der Grund, warum Virginia Morrows Worte keine Bedeutung für sie hatten. Haven könnte nie jemand anderen als Iain lieben. Sie würde ihr Paradies niemals aufs Spiel setzen.
Oder?
Abrupt schlug Haven die Augen auf. Sie hatte Iain nichts von ihrem Besuch bei seiner Mutter erzählt. Stattdessen hatte sie ihn angelogen, sein Vertrauen missbraucht. Und wofür das alles? Für ein Vermögen, das ihr sowieso nicht gehörte? Haven spürte ihre Kehle eng werden vor Angst. Einen Moment lang konnte sie kaum noch atmen. Hatte Virginia Morrow recht gehabt? War dies der erste Hinweis auf die schrecklichen Dinge, die Haven ihrer Ansicht nach tun würde?
Iain drehte sich zu Haven um. »Da bist du ja endlich wieder«, sagte er. »Ich hab mir schon Sorgen gemacht.« Er zog sie näher an sich und küsste sie. In diesem Moment hätte die Welt untergehen können und Haven hätte es nicht einmal mitbekommen. Schließlich jedoch löste sie sich von ihm.
»Ich war bei deiner Mutter«, gestand sie. »Ich hab ein Auto gemietet und bin heute Morgen zu ihr gefahren.«
»Ich weiß«, erwiderte Iain. »Die Autovermietung hat angerufen, um die Reservierung zu bestätigen.«
»Du wusstest Bescheid? Und du hast nicht versucht, mich aufzuhalten?«
Bei der Vorstellung musste Iain grinsen. »Haven, ich liebe dich jetzt seit zweitausend Jahren. Ich hab schon vor einer ganzen Weile kapiert, dass dich nichts und niemand davon abhalten kann, wenn du dir einmal was in den Kopf gesetzt hast. Außerdem dachte ich, es wäre vielleicht gar nicht so schlecht, wenn du mein liebes Mütterlein mal kennenlernen würdest. Jetzt weißt du, auf was für einen Kampf wir uns einstellen dürfen.«
Die Tatsache, dass Iain von ihrem kleinen Ausflug gewusst hatte, machte Haven nur ein noch schlechteres Gewissen. »Du hattest absolut recht, Iain. Die Frau ist ein Ungeheuer. Ich weiß nicht, wie du es mit so einer Mutter überhaupt ausgehalten hast.«
Iain stemmte sich auf einen Ellbogen hoch und blickte zu Haven hinunter. »Das weißt du nicht? Also, ich schon«, sagte er, als wäre das ganz offensichtlich. »Ich wusste, dass du irgendwo da draußen bist, und ich hatte so ein Gefühl, dass ich dich dieses Mal wirklich finden würde. Das hat mich durch die ersten neunzehn Jahre meines Lebens gebracht. Ganz einfach.«
»Trotzdem«, entgegnete Haven. »Sie hätte es dir nicht so schwer machen dürfen. Eine Mutter sollte ihr Kind lieben, egal, wie viele Leben es schon gelebt hat.«
»Das ist ja nun vorbei. Du bist jetzt meine Familie, mehr brauche ich nicht. Dabei fällt mir ein«, fügte er hinzu und sprang plötzlich aus dem Bett. »Ich wollte dir gestern Abend eigentlich noch etwas geben, bevor du mich so plötzlich aus dem Restaurant geschleift hast.«
Er ging zum Schrank und wühlte in den Taschen der Jacke, die er am Abend zuvor getragen hatte. Dann kam er mit einem kleinen Holzkästchen in der Hand zurück.
»Ich habe damals etwas gekauft, bevor wir den Hof verloren.«
Wortlos öffnete Haven das Kästchen. Darin lag ein schlichter breiter Goldring mit einem Stein in der Mitte.
»Der ist aus Glas«, erklärte Iain nervös, als Haven im Schein der Nachttischlampe die goldenen Sprenkel im Inneren des blassblauen Steins
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