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Alles Ist Ewig

Alles Ist Ewig

Titel: Alles Ist Ewig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kirsten Miller
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erfahren, Leah. Wenn ich Piero irgendetwas angetan habe, dann weiß ich nicht, wie ich mit dieser Schuld weiterleben soll.«
    »Würde mich echt überraschen, wenn du irgendwem was angetan hättest. Aber selbst wenn, dann ist das doch ’ne Ewigkeit her. Schon mal darüber nachgedacht, dass du seit dem vierzehnten Jahrhundert vielleicht das eine oder andere dazugelernt haben könntest?«
    »Klar, aber …«
    »Ich meine, ist das nicht der Sinn bei dieser ganzen Reinkarnationsgeschichte?«, redete Leah weiter. »Aus seinen Fehlern zu lernen?«
    »Um ehrlich zu sein, weiß ich überhaupt nicht, was der Sinn dabei ist«, entgegnete Haven. »Aber wenn wir wirklich aus unseren Fehlern lernen, müssten wir dann nicht alle viel bessere Menschen sein, als wir sind?«
    »Vielleicht bist du ja besser«, wandte Leah ein. »Oder vielleicht gibt es da draußen irgendwas, das die Weiterentwicklung verhindert. Du weißt schon, wie das Wechselwirkungsprinzip in der Physik, da heißt es doch, dass jede Aktion eine gleich große Gegenreaktion erzeugt.«
    »Für Physik hatte ich nie viel Zeit«, erwiderte Haven.
    »Schade eigentlich. Die liefert einem nämlich ziemlich viele Erklärungen, weißt du? Aber im Moment hab ich leider selbst nicht viel Zeit dafür, wie’s aussieht.«
    »Nein? Warum nicht?«
    Jetzt war es Leah, die einen Seufzer ausstieß. »Diese Visionen, die ich hab – die werden langsam so schlimm, dass ich gar nicht mehr klar denken kann.«
    »Siehst du immer noch diesen Mann in dem Garten?« Haven blickte von der Veranda über das Grundstück, das die Villa umgab, und versuchte sich vorzustellen, wie schön der kleine Park im Frühling sein würde, wenn der letzte Schnee geschmolzen war. In Manhattan gab es Hunderte von versteckten Gärten. Jeder einzelne davon könnte der sein, den Leah suchte.
    »Ja«, sagte Leah. »Es ist, als wollte er nicht mehr länger warten. Er will, dass ich komme. Ich hab noch nie so einen Druck gespürt. Fühlt sich an, als würde bald irgendwas Großes passieren. Ich wäre schon längst in New York, wenn ich wüsste, wo ich nach dem Typen suchen soll. Dir ist wahrscheinlich auch nichts eingefallen, oder?«
    »Nein«, gab Haven zu. In der Ferne heulte eine Feuerwehrsirene. »Kannst du mir nicht noch ein paar Hinweise geben? Hörst du vielleicht irgendwas in deinen Visionen? Oder riechst du was?«
    »Jetzt, wo du es sagst – ja, es stinkt sogar ziemlich. Nach Verwesung. Wie damals, als meinem Onkel Earl mal ein Opossum in den Autovergaser gekrochen und da gestorben ist.«
    »So riecht es in New York den ganzen Sommer über«, meinte Haven. »Was ist mit Geräuschen? Hörst du irgendwas in deinen Visionen? Kirchenglocken vielleicht, oder einen Eiswagen?«
    »Nein«, antwortete Leah nach einer langen Pause. »Ich höre gar nichts.«
    »Bist du sicher? Noch nicht mal Sirenen oder Hupen oder Verkehrslärm?«
    »Nö«, sagte Leah. »Nichts. Es ist vollkommen still.« Haven hörte Leahs Hand in einer Tüte rascheln, dann ging das Knuspern wieder los.
    »Tja, dann kann ich dir leider nicht helfen«, sagte Haven, deren Magen zu knurren begann. »Ich kann gerade selber schlecht nachdenken. Ich hab den ganzen Tag kaum was gegessen.«
    »Warum das denn?«
    »Ist ’ne lange Geschichte«, antwortete Haven. »Sagen wir einfach, ich will verschiedenen Versuchungen widerstehen.«
    »Indem du dich zu Tode hungerst?« Leah schnaubte. »Ein Hamburger wird dich schon nicht in Schwierigkeiten bringen, Haven. Geh und iss was. Halb verhungert rettest du bestimmt niemanden.«
    »Guter Einwand«, sagte Haven.
    »Das sind meine Einwände immer. Und, Haven?«
    »Ja.«
    »Mach dir nicht zu viele Gedanken über Versuchungen. Glaub an dich, dann wirst du schon das Richtige tun. Was auch immer das sein mag.«

KAPITEL 20
    H aven musste rennen, um den letzten Wagen der Bahn zu erreichen. Auf den Sitzen drängten sich erschöpfte Leute, die auf dem Weg von der Arbeit nach Hause waren. Sie lehnte sich mit dem Rücken an die Tür des Führerhauses und sah zu, wie der U-Bahn-Tunnel an den Fenstern vorbeirauschte. Selbst auf den einsamsten Abschnitten konnte sie Zeichen dafür erkennen, dass die Tunnel nicht ganz unbewohnt waren. Ein schäbiges Sofa. Ein vollgestopfter Koffer. Ein Kinderwagen. Am Rand der Gleise lebten tatsächlich Menschen – Menschen, die sich durch die Dunkelheit tasteten.
    Haven hatte das Gefühl, genauso blind zu sein. Ihre Vision hatte ihr nur eine einzige Szene aus ihrer Vergangenheit gezeigt.

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