Alles Ist Ewig
Mal, seit sie heute Iain gefolgt war, hatte sie wieder einen klaren Kopf. Ihr Handy lag in greifbarer Nähe, für den Fall, dass er anrufen würde, aber sie wusste, dass Iain seinen Plan verfolgte. Es konnte gut sein, dass eine ganze Woche vergehen würde, bevor sie wieder von ihm hörte. Haven blieb nichts anderes übrig, als zu warten – darauf, dass sie endlich die richtige Vision hatte. Darauf, dass irgendjemand Beau rettete. Darauf, dass Iain Padma Singh fand. Aber währenddessen würde sie arbeiten. Je mehr Zeit sie allein in ihrem Zimmer verbrachte, desto weniger wahrscheinlich war es, dass sie alles vermasselte.
Sie schnitt und maß und nähte die ganze Nacht hindurch und machte nur gegen drei Uhr morgens eine kurze Pause, um einen Cupcake aus Alex’ Korb zu verschlingen und ihn mit einem Glas Champagner hinunterzuspülen. Das Papierförmchen des Cupcakes ließ sie zu den Stofffetzen und ausgemusterten Reißverschlüssen auf den Boden fallen. Vier Stunden später brach sie über einem Haufen Stoffresten zusammen und schlief tief und fest ein. Das Zimmer war ein einziges Chaos, doch die Schneiderpuppe in der Mitte trug eins der schönsten Kleider, die Haven je genäht hatte. Allerdings hätte sie sofort zugegeben, dass es nicht ihr eigener Entwurf war.
Beau erschien in ihren Träumen. Sie saß am Tisch in der Küche seines Vaters und aß eine Schüssel Froot Loops. Beau kam herein und ließ eine Barbie in einem hautengen grünen Kleid auf den Tisch plumpsen.
»Wer soll das denn sein? Schlampen-Barbie?«, fragte Haven und kleckerte dabei Milch auf ihr Oberteil.
»Musst du immer so vulgär sein? Das ist Alex Harbridge«, erklärte Beau. »Ich hab sie vom Joch ihres schlechten Modegeschmacks befreit.«
»Das würde Alex Harbridge nie im Leben anziehen.«
»Wenn ich es für sie schneidern würde, schon«, erwiderte Beau. »Es ist perfekt für ein Mädchen, das ein bisschen was auf den Rippen hat. Barbie kann da natürlich nicht ganz mithalten, aber was Besseres hatte ich nicht.«
»Ich sage ja nicht, dass es nicht gut aussieht. Ich sage nur, dass Alex Harbridge es nie anziehen würde. Sie hat ganz offensichtlich Komplexe wegen ihrer Figur. Du findest sie vielleicht heiß, aber die meisten Mädchen haben nun mal keinen Schimmer, wie sie wirklich aussehen. Wenn wir in den Spiegel gucken, sehen wir was völlig anderes.«
»Und genau darum sollte jedes Mädchen einen schwulen besten Freund haben, der ihr mal die Augen öffnet.«
Haven schreckte aus dem Schlaf hoch, als sie einen Schrei hörte. Tageslicht fiel durch die Fenster herein, und in der Tür stand eine Frau mit einem Staubsauger. Erst dachte Haven, das Zimmermädchen hätte sich vor dem Durcheinander erschreckt. Dann aber wurde ihr klar, dass sie auf dem Boden eines Zimmers lag, das aussah wie der Schauplatz eines brutalen Verbrechens.
»Schon okay! Ich bin nicht tot!«, rief Haven, gerade als die Frau bewusstlos im Flur zusammenbrach.
Alex Harbridge nahm ihre Sonnenbrille ab und begann an einem der Bügel zu kauen. »Ich hatte eigentlich damit gerechnet, erst in ein paar Tagen von dir zu hören. Du hast das in einer einzigen Nacht gemacht?«, fragte sie skeptisch. »Das ganze Kleid?«
»Willst du die Schwielen an meinen Fingern sehen?«, entgegnete Haven.
»Das ist aber nicht das Kleid, auf das wir uns geeinigt hatten.« Alex ging zu der Puppe und drehte sie langsam im Kreis. Die Enttäuschung stand ihr ins Gesicht geschrieben. »Ein bisschen freizügig, oder?«
»Du bist neunzehn Jahre alt. Du musst absolut nichts verstecken. Ich weiß, dass das Kleid an der Puppe nicht sonderlich viel hermacht, aber es wurde von jemandem entworfen, der seit sechs Jahren davon träumt, etwas für dich zu schneidern.«
»Du träumst davon, mir was zu schneidern, seit wir beide in der achten Klasse waren?«
»Nein, nicht ich«, gab Haven zu, während sie der Puppe vorsichtig das Kleid auszog. »Ein guter Freund hatte die Idee, ich habe mir seinen Entwurf nur ausgeborgt. Er war immer der Meinung, dass du deine Kurven mehr in Szene setzen musst – anstatt sie zu verstecken. Willst du es nicht wenigstens mal anprobieren?«
»Mmh«, machte Alex mit einem gezwungenen Lächeln. Dann holte sie tief Luft. »Ach, warum eigentlich nicht?«
Haven überreichte ihr das Kleid, und Alex ging damit ins Badezimmer und schloss die Tür hinter sich ab. Die Tür blieb volle zehn Minuten verschlossen, bevor Haven den Mut aufbrachte, zaghaft zu klopfen.
Eins von Alex’
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