Alles Ist Ewig
Beatrice war nicht Adams Gefangene gewesen. Sondern seine Verlobte. Aber diese Enthüllung war so viel wert wie ein Streichholz in einer mondlosen Nacht. Wie oft hatte Haven sich aus freien Stücken für Adam entschieden? Wusste Iain davon? Sosehr sie die Antworten auch fürchtete, sie wusste, dass sie ihn danach würde fragen müssen.
Als die U-Bahn an der Station Zweiundsiebzigste Straße und Central Park West hielt, stieg Haven aus. Während die Schnellzüge durch den Bahnhof rasten, setzte sie sich auf eine Bank und wartete darauf, dass der Bahnsteig sich leerte. Chandra mochte die Grauen zwar am Vormittag abgeschüttelt haben, aber es bestand immer noch die Gefahr, dass sie ihre Fährte inzwischen wieder aufgenommen hatten. Als niemand außer ihr zurückblieb, stürmte Haven die Treppen hinauf. Sie duckte sich zwischen den Autos hindurch, die an einer Ampel auf der Avenue hielten, und gelangte schließlich an die Mauer, die den Central Park umgab. Dort, ein Stück von Frances Whitmans Apartmenthaus entfernt, blieb sie abermals stehen und vergewisserte sich, dass niemand sie beobachtete. Sie hätte das Risiko, die Grauen zu Iain zu führen, nicht eingehen dürfen, aber mittlerweile hatte sie schon ein Dutzend Mal erfolglos versucht, ihn zu erreichen, und der Drang, seine Stimme zu hören, war zu stark geworden, als dass sie ihn hätte ignorieren können.
Ihre Augen suchten gerade die Straße nach verdächtigen Limousinen ab, als sie einen jungen Mann aus dem Eingang der Andorra Apartments kommen und in Richtung Innenstadt gehen sah. Iains Gesicht war unter einer Yankees-Kappe verborgen, aber Haven erkannte ihn sofort am Gang. Zum Überqueren der Straße war der Verkehr zu dicht. Mit Rufen hätte sie nur unnötig die Aufmerksamkeit der Leute auf sich gezogen. Also folgte sie Iain auf der anderen Straßenseite, bis er um eine Ecke verschwand. Als die Ampel endlich Rot wurde, eilte sie über die Straße, um ihn einzuholen. Doch auf der anderen Straßenseite angekommen, hatte sie seine Spur verloren. Im Laufschritt eilte sie ein Stück nach Westen und hielt nach Iains schwarzem Mantel und der Kappe Ausschau. Schließlich entdeckte sie ihn an einer Ecke der Amsterdam Avenue, wo er soeben in einer heruntergekommenen Bar mit einem Neonschild über der Tür verschwand.
Sie hätte genug Zeit gehabt, nach ihm zu rufen, aber sie tat es nicht. Stattdessen schlich sie den Bürgersteig hinunter und versteckte sich hinter einem Baum in der Nähe des Eingangs der Bar. Warum zog Iain los und genehmigte sich einen Drink, während sie sich den Allerwertesten aufriss, um Beau zu finden? Und mit wem zum Teufel wollte er sich dort treffen? Sie spähte durch die schmutzigen Scheiben und erblickte einen kleinen, schäbigen Raum mit einem Billardtisch am einen Ende. Auf der rechten Seite befanden sich drei Sitznischen. Auf der anderen eine lange Theke aus Eichenholz. Dort begrüßte Iain gerade ein Mädchen, das offenbar auf ihn gewartet hatte. Mia Michalski. Haven drehte sich der Magen um, als sie sah, wie Iain ihr einen Kuss auf die Wange gab.
Sie sah nur einen Moment hin, jedoch lange genug, um zu erkennen, dass Mia zu jung war, um sich in Bars herumzutreiben – und genauso gut aussehend, wie Alex Harbridge sie beschrieben hatte. Haven fragte sich, warum eine so hübsche Frau sich dazu entschieden hatte, den größten Teil ihrer Arbeit über das Internet zu erledigen. Sie brauchte doch sicher nur mit den Wimpern zu klimpern oder ihre blonde Mähne über die Schulter zu werfen, und schon hätte ihr so gut wie jeder Mann auf dieser Erde seine Geheimnisse anvertraut.
Haven verschwand wieder hinter dem Baum und lehnte den Kopf an den Stamm. Wieder hatte sie eine Gelegenheit verpasst, mit Iain zu reden. Wenn sie jetzt in die Bar ging, würde er wissen, dass sie ihm heimlich gefolgt war. Und wie sollte sie ihm das erklären, wenn sie es noch nicht einmal selbst so recht verstand? Was war nur los mit ihr? Warum hatte sie nicht nach Iain gerufen, als sie die Chance dazu gehabt hatte?
Du bist nicht, wer du zu sein glaubst, hatten die Horae sie gewarnt. Virginia Morrow hatte dasselbe behauptet. Haven dachte an die selbstsüchtige, verwöhnte Beatrice, die sich nur für Materielles interessierte und Adam Rosier heiraten wollte. War dieses schreckliche Mädchen noch immer ein Teil von ihr? War es die Beatrice in ihr, die so fasziniert von Alex Harbridge gewesen war, dass sie ihren Termin mit den Horae vergessen hatte? War sie der Grund,
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