Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Alles ist grün

Alles ist grün

Titel: Alles ist grün Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Foster Wallace
Vom Netzwerk:
verschwenderischen, gehässigen und undankbaren Seitenhieb gegen seinen dünnhäutigen Klienten, den er schließlich beschwichtigt und unter Vertrag genommen hatte, wenn er auch nicht dazu zu bewegen gewesen war, heute hier aufzutauchen – steckte da nicht vielleicht mehr dahinter? Etwas Wahres, Trauriges und Nabenloses, das weitergeht? Muss ein Juxhaus mehr als ein Jux sein? Mehr als ein neuer und verbesserter Jux? Sind in dieser Kampagne auf unsichtbare Weise echte Haus-Erwägungen am Werk? Für wen ist das Juxhaus womöglich eine Einsperrung? Lebt er, J.   D., in so etwas wie einem Juxhaus? J.   D. wohnt im J.   D. Steelritter Advertising Complex in Collision, Illinois; er lebt und wirtschaftet auf den paar Morgen der Rosenfarm, die sein Wandervater einem maisgrünen Staat ins Knopfloch gesteckt und dann beackert hatte; J.   D. lebt tief in J.   D., paart Bilder und Jingles, streckt in isolierten und einsamen Augenblicken seine Säbelnase heraus und schnuppert die Winde von Mode, Furcht und Begehren – die Passatwinde, die über ihn hinweg von Küste zu Küste fegen. An den Rändern, der eigentlichen Landesmitte, hat J.   D. die zweitgrößte Werbeagentur der amerikanischen Geschichte aufgebaut, in einem durch einen Unfall entstandenen Elendskaff, das zerfallen und maisumgeben tief in einem flachen Brutmantel aus so schwarzem und fruchtbarem Ackerboden steckt, dass J.   D. nur vor einer Sache noch mehr Angst hat. J.   D. kommt aus Central Illinois. Central Illinois ist auch für die blühendste Fantasie kein Juxhaus.
    Es ist aber auch nicht eingesperrt. Eingesperrt? Es ist die ent sperrteste, offenste Gegend, die zu sehen man je Angst haben könnte.
    Er erinnert sich an die historische Skizze, die Ambroses Agenten angefertigt hatten, als sie J.   D. 76 erstmals die Ideeder Juxhauskette unter die Nase gerieben hatten. Ocean City, außerhalb von Baltimore, mit seinen Preisträgern, Gezeiten und dem Fischgestank – so ungefähr der letzte große undeodorierbare Gestank –, der Freizeitpark, in dem der kleine Ambrose zur Zeit der Weltwirtschaftskrise herumgestreunt war und den er in seiner Erzählung dann vergoldet hatte, bei der J.   D. das kalte Kotzen bekam, als er sie zu lesen versuchte, um zu verstehen, wie sein Klient tickte – dieser Ocean City Park war eingesperrt. Der Park war eingesperrt und zwar nicht von Spiegeln, Schalterfenstern oder DJ – Kabinen. Na ja, egal.
    Aber wo hatte er nur seinen Kopf? Der Park war abgebrannt, er war höchstpersönlich zur Recherche vor Ort gewesen und hatte nur Asche vorgefunden. Alles, wie sich herausstellte, verbrutzelt und verschmurgelt, bevor die Superdupererzählung auch nur einen zweiten Leser fand, damals in den Sechzigern, als J.   D. gerade Ray Kroc zum Mythos aufbaute. Wie sich Ambrose jetzt wohl fühlt, wenn er die Brandruine sieht? Traurig. J.   D. hat noch nie eine richtige Feuersbrunst gesehen. Er war seines Wissens auch noch nie in einem Haus, das nicht immer noch ein Haus ist. Selbst Farmhaus und Gewächshaus seines Vaters, ja sogar das stadtgründende Auto seiner Mutter steht noch unversehrt da. Steckt hinter dem rasselnd gequengelten Für Wen also ein beunruhigend geflüstertes Etwas? Sagen wir, Sie stehen vor dem ausgebrannten Skelett eines ehemaligen Juxhauses, das Grinsegesicht der Tür ist hin, die dicke Dame aus Plastik halb geschmolzen und dann schief wieder erstarrt, ein Klumpen, vielleicht auf dem Rücken, ihre tropfenförmig erstarrten Lachaugen starren jetzt in einen totenbleichen Krebsfleischhimmel empor, das Haus selbst ist ausgebrannt, offen, ein Haufen schwarzer Träger, gekreuzt, quer und verbogen, stützt nichts mehr, kein Dach, sagen wir, Sie stehen da und sagen, vielleicht sagen Sie sich, da war ich mal drin und zeigen; waren Sie? Wenn dieses Da hinist, ausgebrannt, enthüllt, die Beine der Dicken May aus heiterem Plastik verzerrt und gespreizt, ja die ganze Einsperrung enthüllt und irgendwie nackt? Kein Wunder, dass der arme Arsch das Dach wieder draufschreiben und das ganze Ding wieder aufrichten wollte. Aber J.   D. lächelt fast um die Spindel der feuchten Zigarre herum, die er nicht schmecken kann: Der Junge aus dem Wattgebiet bekommt sein Haus zurück, im Westen, tausendfältig. Was er nur will. Jeder Wunsch geht in Erfüllung. Mit Karacho.
    J.   D. steht am Terminalfenster und grübelt. Meine Güte, Ocean City in der Vergangenheit: Möwenschreie, fauliger Seetang, der wie ein großer Kopf knapp unter der

Weitere Kostenlose Bücher