Alles ist grün
Säumen oder Federlesens in kompromisslos prägnanter Vorausblende horrido und ohne Anmut oder Aufschub auf zum
TAG DES AUGENBLICKS , AUF DEN WIR ALLE GEWARTET HABEN
»Für Verliebte ist das Juxhaus ein Jux.
Für Philister dient’s der Liebe als Hort.
Doch für wen, motzt der Proll,
ist’s ein Haus und auch toll?
Wer wohnt da, nimmt man es beim Wort?«
lautete der antiambrosianische Limerick, den der arme, sensible und leberfleckige Mann mit fast abwischbarer Kreide an die Schiefertafel geschrieben fand, als er den Seminarraum seines Mo–Fr 15–17.00 betrat. Er sei am Boden zerstört, so begründete Ambrose in dem langen Brief an Steelritter seine Drohung, als Klient und Unternehmer vielleicht aus der ganzen Idee einer Juxhauskette auszusteigen. Kinder und Studenten sind J. D. Steelritters Auffassung zufolge ein Scheiß- und Sauhaufen. Wie Hunde, vor deren Zubeißen man Angst haben muss, wenn man ihnen das Fleisch hinhält, nach dem sie winseln. Ambrose schrieb, er sei am Boden zerstört: Da war sie, schrieb er – wenn man die ganzen Schnörkeleien und Anspielungen und den allgemeinen Schmonzes seines Briefs abspeckte –, da war sie, Kritik, genau dort, selbst da, wo man sie am wenigsten erwarten müssen sollte. Kritik: Nie ließ sie ihn in Ruhe. Sie senkte die Qualität seines Lebensstils. Warum also sollte man in jedem größeren Markt ein Juxhaus bauen, bloß damit die Leute dann kritisieren können, frage er sich, schrieb er. Wer habe das schon nötig? Ambrose habe das nicht nötig, schrieb er, ebenso wenig wie der wackere Philoktet weiland den Schlangenbiss nötig gehabt habe.
Welche Schlange?, kabelte J. D. zurück. Wieso weiland? Mach mal Pause, hatte er gekabelt. Cool bleiben. Lass die Seele baumeln. Lies diesen Stoikerscheiß, auf den du so stehst. Trink eine Brause. Widme dich den Rosen, die ich dir allein sub rosa geschickt habe, mein Freund. Überleg mal. Denk daran, wie viel inzwischen insgesamt in die Angelegenheit investiert worden ist. An Zeit, Geld, Geld, Zeit, Geist. Nichts übers Knie brechen. Vertrau mir, der dein Vertrauen verdient hat. Kalte Füße sind normal, wenn der Tag naht.
Das aufgeblasene Ego eines arroganten Waschlappens, das hatte J. D. in Wahrheit gedacht. Natürlich hast du das nötig. Geh mir nicht mit dem Geseier auf die Eier. Kritik ist Resonanz. Die ist gut. Wenn J. D. eine Werbestrategie vorstellt, die niemand kritisiert, dann weiß J. D. sofort, dass die Idee lausig ist, eine Mesalliance aus Jingle und Bild, die in eine Sackgasse führt, eine Totgeburt, keine Verbindung fesselnder Getriebe, kein Spin, der dem Markt-Spin noch eins draufsetzt. Du hast das nötig. Zieh’s dir rein. Das ist Aufmerksamkeit. Beflügelt die Fantasie. Verkauft sich. Da ist Begehren im Spiel, und Begehren verkauft sich. Es hat Bücher verkauft, es wird auch Ketten verspiegelter Diskotheken verkaufen. Die Kritik ist es, die die Hintern der Fans auf die Sitze treibt. Da würde J. D. sein Leben drauf verwetten.
Als er so dasteht, zum Umfallen müde, das ganze edel geschnittene Gesicht, das sowieso gern seinem Zentrum zustrebt, um eine Zigarre gravitiert, die er zermalmen und deren Spitze er ausspucken will, mit einem wie Nebel am Gaumen hängenden Nachgeschmack frittierter Blüten, an einem Fenster des bewimpelten ( WILLKOMMEN MCDONALD ’S- EHEMALIGE WILLKOMMEN JACK LORD WILLKOMMEN BITTE WENDEN SIE SICH WEGEN INSTRUKTIONEN UND ANWEISUNGEN AN DEN NÄCHSTEN STEELRITTER - EHEMALIGE - UNTERSTÜTZUNG - REPRÄSENTANTEN WILLKOMMEN !) und (in Mrs. Steelritters Lieblingsfarben Perlgrau und Pflaumenblau) renovierten Central Illinois Airport steht, auf den Sonnenaufgang und darauf wartet, dass der 5.10-Shuttle von LordAloft vom O’Hare das letzte Paar Ehemaligenkinder bringt, würde er sein Leben darauf verwetten. So sind Werbefritzen einfach. Verwetten ihr Leben auf Kritik, Aufmerksamkeit, Begehren, Furcht, Liebe, Paarung von Konzession und Markt. Bildkonstanz. Markenloyalität. Kundenkontakt. Umsatz. Aufs Leben. Leben!
Das Leben geht weiter. Du bist ausgelaugt, traurig, wahrscheinlich der verkannteste Kreativvirtuose der ganzen Branche, und trotzdem geht das Leben weiter, ausgelaugt, traurig, immer in irgendeine Richtung, aber nie ins Zentrum. Das nabenlose Rad dreht sich immer schneller, oder? Ja. So packen Werbefritzen Probleme an: Man räumt etwas ein, das hoffnungslos wahr ist und dessen Unwünschbarkeit man den Leuten nie im Leben einreden kann; das räumt man ein, und dann
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