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Alles ist grün

Alles ist grün

Titel: Alles ist grün Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Foster Wallace
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reagierst nie richtig auf die Dinge. Nicht mal auf Kunst. Von dir bekomm ich doch praktisch überhaupt kein Feedback.«
    »Du bekommst Feedback, Drew. Ich hab dir gestern erst Feedback gegeben. Da hab ich nämlich gesagt, dass mir an deinem Titel ›Brendel verleiht Flügel‹ die Doppeldeutigkeit gefällt. Du bist bloß genervt, weil ich gesagt habe, ein zwanzigseitiges Gedicht, das ausschließlich aus Satzzeichen besteht, sei keine besonders prickelnde Lektüre. Das ist Feedback. Es ist bloß nicht die Reaktion, die du hören willst.«
    »Du verwechselst permanent Reaktion mit diesem antiquierten Beharren darauf, dass …«
    Sternberg winselt, zieht aus der Gesäßtasche eine sitzwarme Vereinigungsbroschüre und entfaltet ihr Viereck. Die quietschbunte Hightech-Broschüre ist ein einziges Hochglanzprodukt, außer dort, wo sie vom Zusammenfalten verblasst ist. Sie beschreibt ausführlich die Attraktionen und den Ablauf der Vereinigung aller, die je McDonald’s verkörpert haben.

WOHER SICH ALLE KENNEN
    Sternberg aus Boston und D.   L. aus Hunt Valley waren im selben McDonald’s-Werbespot zu sehen, der 1970 in Collision, Illinois, in dem zur Kulisse gemachten ersten McDonald’s-Schnellrestaurant gedreht wurde. Beide waren 1970 kleine Kinder. Ungefähr seit der Pubertät haben sie Briefkontakt. Mark und Sternberg kennen sich also über D.   L.
WO SIE JETZT WOHNEN
    Tom Sternberg wohnt bei seinen Eltern in Bostons Back Bay, bemüht sich um Vorsprechtermine, fällt Agenten auf den Wecker und versucht, in der Werbebranche für Erwachsene einen Fuß in die Tür zu bekommen. Mark und D.   L. wohnen in einer lebhaften und total yuppifizierten Eigentumssiedlung von Baltimore in einer geräumigen Suite, die D.   L. in eine armselige Mansarde umgestaltet hat, soweit es die Umstände erlaubten (leider haben sie eine total spießige Haushälterin).
WARUM D.   L. UND TOM ZUR ESSENSZEIT NIE HUNGRIG BLEIBEN MUSSTEN
    Es ist eine fast unbekannte Tatsache, dass jeder, der mal in einem Werbespot von McDonald’s aufgetreten ist, einen Gutschein ohne Verfallsdatum erhält, der ihm jederzeit und in jeder McDonald’s-Filiale das Recht auf Gratis-Hamburger verschafft. Das ist eine Honorarzulage für alle kommerziellen Ehemaligen, die vermarktungstechnisch ein Geniestreich vonseiten J.   D. Steelritter Advertising war. Er erlaubt es McDonald’s, unter jedem einzelnen goldenen Doppelbogenzu verkünden, wie viele Milliarden und Aber milliarden von Hamburgern schon »serviert« worden sind. Und natürlich können keinerlei Vorschriften von Gesundheitsbehörde oder Bundesfinanzhof die Kette verpflichten dazuzusagen, dass ein happiger Prozentsatz dieser servierten Burger nicht bezahlt wird. Hohe Zahlen bringen höhere Zahlen hervor. Die Konsumenten sind von der aufgeblasenen Zahl konsumierter Artikel beeindruckt und konsumieren umso mehr. Die Schauspieler sind in Sachen Zuführung von Biomasse abgesichert, und von daher gelten McDonald’s-Werbespots in der Branche als gefundenes Fressen. Und das enorme (und teilweise kostenlose) Serviervolumen führt dann eben zu dem, was Mikroökonomen Größenvorteile oder Skalenerträge nennen: Das Fleisch wird megatonnenweise aus Argentinien herbeigeschifft und, getaktet nach Zeitschaltuhren, gebraten, gewendet und serviert. Das Essen ist von Küste zu Küste identisch. Verlässlich. Beruhigend. Die seltenste aller Transaktionen: Alle profitieren. Wir sehen das Wie-viele-serviert-Schild nur als das, was unsere Interpretation daraus macht: das Zeichen des Gemeinschaftsrestaurants der Welt. Es war J.   D. Steelritters zweitgrößter vermarktungstechnischer Geniestreich. Nach der Vereinigung und dem Vereinigungs-Spot wird es sein drittgrößter sein.

    Für Tom Sternberg sind Flughäfen kein Jux. Sie verschwimmen ihm vor dem Auge. Central Illinois Airport macht da keine Ausnahme. Für den tragischen Zeitgenossen sind alle Flughäfen gleich: orangegesichtige Blondinen, schlitzröckige Flugbegleiterinnen mit Rollköfferchen, College-Bubis mit Nazi-Wangenknochen, die unvermeidliche grüne Weste des Barkeepers in der Flughafen-Lounge. Gelb gekleidete Frauen mit schwarzen Haaren. Lautsprecherdurchsagen, die nur einKieselstein im Mund von der Unverständlichkeit trennt. Ausdruckslose gestresste Jungmanager, die von ihren Vorgesetzten zum Fliegen gezwungen werden, schwere Koffer schleppen und diese Leichensäcke für ihre identischen Uniformen mit blank gewetzten Hosenböden geschultert haben.

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