Alles ist grün
verleiht Flügel, sondern ein schlichtes Mord-Selbstmord in City-Aufzug stellt Behörden vor Rätsel. Und Einzelheiten der Erzählung lassen sich direkt auf die umfangreiche Korrespondenz D. L.s mit Tom Sternberg zurückverfolgen, dem vielleicht so ungefähr klaustrophobsten Menschen in der Geschichte seiner Generation.
Der fragliche Aufzug liegt in einem psychiatrischen Krankenhaus in der City von Baltimore. Ausgangspunkt des Geschehens ist, dass ein Psychologe, einer von denen, die keine Rezepte ausstellen dürfen, ein Dr. psych., zwei verschiedene Patienten wegen lähmender Klaustrophobie behandelt. Die Behandlung beider Patienten beginnt zum selben Zeitpunkt und verläuft mehr oder weniger synchron, aber die Patienten bekommen einander nie zu sehen. Oder erst, als sich beide im Lauf der Behandlung den Zähnen und Krallen ihrer Phobien stellen sollen. Genau, Zeit für den Aufzug. Sie sollen in den Aufzug des Gebäudes steigen und ein paarmal darin auf und ab fahren. Aber eben zusammen, zur Unterstützung (der Psychologe ist ein Anhänger der Direkte-Konfrontation-aber-mit-Unterstützung-Schule der Phobientherapie).
Beide steigen also ein und fahren ein paarmal auf und ab …
Nur hält der Aufzug schließlich an, womöglich wegen all der in ihm herumstrudelnden phobischen Energien, bleibt zwischen zwei Stockwerken stecken, und die Knöpfe funktionieren nicht mehr, das Ding ist einfach kaputt. Die beiden Klaustrophobiker sitzen zusammen in der Falle eines winzigen Aufzugs in einem schmalen Schacht in einem geschlossenen Gebäude im Zentrum einer rappelvollen Großstadt. Eine Zeit lang klappt das mit der gegenseitigen Unterstützung. Aber in der Fülle der Zeit, der sich alle stecken gebliebenen Einrichtungen erfreuen, rasten die beiden dann schließlich doch aus.
» JAAGH !«, kreischt der eine den anderen an. »Komm mir nicht so nah!«
»Nein! Nein! Komm du mir nicht so nah!«
» JAAGH !«
» GAAH !«
»Geh ganz weit weg!«
»Du schwillst! Du brauchst den ganzen Aufzug für dich!«
»Komm mir nicht so nah!«
» GAAH !«
» JAAGH !«
»Du atmest für uns beide! Du verbrauchst meine Luft! Hör auf zu atmen!«
»Lass mich in Ruhe! Geh weg! Oh mein Gott!«
»Nichts mehr da! Krieg’ keine Luft mehr!«
» JAAAAAAGHURGHLURGHLURGHLURGHL !«
Und so weiter. Ihre schlimmsten Ängste, die sie langsam und mit Unterstützung als erfunden hätten ansehen können, wurden wahr. Der ganze Text war eine Stell-dir-vor-Erzählung. Mark hatte sie D. L. nie gezeigt. D. L. hatte das Programm da schon Programm sein lassen, und die Hochzeit dräute.
Ich glaube, Mark hatte einfach ein schlechtes Gewissen, weil die Erzählung letztlich ein Pastiche aus Klischees und so war. Plus grässlich und ekelhaft. Dr. Ambrose war aber überraschend aufgeschlossen, obwohl sich herausstellte, dass er vor Urzeiten mal eine ganz ähnliche Erzählung geschrieben hatte, in der im Bungalow eines älteren, wahnsinnig pyrophoben und lähmend agoraphoben Paares ein Brand ausbrach. Mark beteuerte, er hätte Ambroses Erzählung nie gelesen. Das ganze Im-Aufzug-feststecken-Motiv sei seine eigene Idee gewesen. Zugegebenermaßen mit ein bisschen Hilfestellung seitens der Wahrheit. Ambrose hatte gedankenverloren den Portweinfleck an seiner Schläfe betastet und gesagt, er glaube Mark. Er vertraue Mark.
Und Mark Nechtr ist ja auch irgendwie vertrauenswürdig. Wenn er beispielsweise verspricht, etwas zu tun, dann weiß man, wenn es nicht getan wird, dann nur, weil er es einfach nicht tun konnte. Auch wenn er beispielsweise mit wem liiertist, den er eigentlich gar nicht begehrt oder mit dem er nicht liiert sein will, wenn er sein Wort gegeben hat, dann wird er nur dann nicht mit diesem Jemand liiert bleiben, wenn er dazu wirklich einfach nicht imstande ist. Wenn er verspricht, D. L. und Sternberg zu dieser Vereinigung zu bringen, auf die sie sich schon so lange gefreut haben, dann versucht er das auch. Auch wenn es momentan nicht danach aussieht, als würde er sich ein Bein ausreißen – seine große Schwäche ist, dass er sich leicht ablenken und faszinieren lässt, und jetzt fasziniert ihn gerade dieser bärtige, distinguierte, nicht mormonische Steelritter-Janitschar (der inzwischen im Bürokomplex von Steelritter Advertising in Collision angerufen und danach gesagt hat, jemand mit einem mittelwestlichen Näseln habe versprochen, man schicke sofort einen Notfalltransporter, J. D. und DeHaven Steelritter, Eberhardt 70, Sternberg 70
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