Alles ist grün

auf eine Stelle leicht links des Scheibenzentrums zielt, wegen der Dimensionen des Bogens – des Objekts, das schießt und beim Schießen im Weg ist –, das aber im Weg widersteht und vom hartnäckigen Rechtsdrall des Pfeilschafts berührt, bewegt und irritiert wird. Denn irritiert widersetzt er sich, schlichte vormoderne Gesetze kommen ins Spiel. Der dezentrierte Pfeil, der vom widerständigen Bogen leicht nach links abgefälscht wird, widersteht dem Linksdrall mit einem gleichen und entgegengesetzten Rechtszittern und Spasmus (für den Spasmus ist Aluminium besonders gut). Das widerständige Zittern löstwiederum einen Linksdrall und dann einen Rechtsdrall aus; und im Endeffekt fliegt der pfeifende Pfeil im Zickzack, bewegt sich – windet sich fast schon – abwechselnd nach links und rechts, aber in stetig abnehmenden Abweichungen (Physik, Naturgesetze, Schwerkraft, Stress, Müdigkeit, Erschöpfung), bis der mit aller Ehrlichkeit leicht links vom Liebenden gezielte Pfeil ihn an einem bestimmten Punkt ins Herz trifft. Eines Tages.
    Stimmt: Das klingt weniger erotisch als mörderisch. Vergiss es: Sex und Sterben sind keine Renaissancependants. Im kranken Jetzt von heute ist alles prosaisch; und Mark gibt zu, dass sich das völlig durchgeknallt anhört. Wie Pogokessel, Serienmorde, Gesichter des Todes, Teil I– III , Zivilbevölkerungen, die von ihrer Angst vor ausländischen Zielgebieten als Geisel genommen werden. Das ist weder romantisch noch clever, weiß Mark. Es ist kalt. Weit kälter als heute. Kälter, als einen Menschen umzubringen, weil man braucht, was er braucht. Kälter, als jemandem nur das zu zahlen, was der Markt hergibt. Als einzuschlafen, während die Geliebte mit den blutigen Armen beweint, dass man immer einschläft, anstatt ihr zuzuhören. Und als jemanden mit Schotter einzudecken, bloß weil er zu groß ist, um reinzupassen.
    Und schlimmer noch, es klingt unredlich. Wie Verrat. Als würde man sich aus etwas zurückziehen, das sich geöffnet hat, um einen einzulassen, und würde das liegen lassen, geschändet und blutig, würde es wie ein ausgestopftes Tier wegwerfen und so verkrümmt liegen lassen, wie es eben auftrifft. Wo gäbe es hier in dem, was er sieht, Ehre? Wo ist die schlichte alte Integrität abgeblieben?

ICH HABE GELOGEN : DREI GRÜNDE , WARUM DAS EBEN GESAGTE GAR KEINE UNTERBRECHUNG WAR , WEIL DAS HIER NÄMLICH NICHT DIE SORTE FIKTION IST , DIE UNTERBROCHEN WERDEN KANN , WEIL ES NÄMLICH KEINE FIKTION IST , SONDERN WIRKLICH UND WAHR UND GENAU JETZT
    Wenn das hier Fiktion wäre, wäre die Katastrophe, die die sechs Menschen in DeHavens Do-it-yourself-Auto davon abhält, jemals bei der verheißenen Vereinigung in Collision anzukommen, eine Kollision. Aus einer mürrisch ablenkenden Anziehung durch die knappe Minimalistin neben ihm oder aus zeitloser griechischer Feindseligkeit gegenüber seinem Vater mit der großen Sabberzigarre auf dem Beifahrersitz würde DeHaven die Augen schließen und das Gaspedal an der grünsten und unübersichtlichsten ländlichen Kreuzung von ganz Illinois – sagen wir von 2000N und 2000W – durchtreten und einen Dreifachzusammenstoß mit dem mit Asiaten vollgestopften Chrysler und der ausländischen Protzkalesche mit den maisgenährten Kindern des großen alten Farmers verursachen. Die schon allein ihrer Menge wegen entbehrlichen Asiaten würden alle sofort getoastet. Die beiden Wagen mit den durchgeschüttelten, aber unversehrten Amerikanern lägen am Ende irgendwie übereinander, in verschiedene Richtungen zeigend, die Windschutzscheiben verschmolzen wie zwei Hypotenusen, um ein Viereck aus Karosserien und verrückt leer drehenden Rädern erblühen zu lassen. Unsere sechs und ihre sechs würden kopfunter dasitzen, sich durch patentierte unzerbrechliche Scheiben anschauen, die Gesichter in der Dunkelheit des nahenden Regens erleuchtet vom lodernden Toaster eines Ausländer-Chryslers.
    Wenn das hier Fiktion wäre, wäre Magda in Wahrheit nicht Magda Ambrose-Gatz, sondern der getarnte Dr. C—Ambrose. Es würde sich herausstellen, dass Mark Nechtr von Dr. Ambrose schon vor langer Zeit als der Junge auserwählt wurde, der Krone und Zepter der schlauen akademischen Fiktion erbt, und Ambrose hätte Mark in dessen Lebensgeschichte im Auge behalten und wäre ihm in allerlei genialen Verkleidungen à la Henry Burlingame im bahnbrechenden Tabakpflanzer gegenübergetreten. Magda/Ambrose würde in einer erhellenden und unterhaltsamen Abfolge von Stimmen und