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Alles ist grün

Alles ist grün

Titel: Alles ist grün Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Foster Wallace
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sagt er. »Der Kühlschrank ist voll davon. Mom muss extra Backpulver kaufen. Schmeckt nicht besonders, irgendwie körnig. Mom sagt, Kreativgenies hätten nun mal einen perversen Geschmack.« Er sieht auf D.   L. hinab. »Was ist schon dabei?«
    DeHavens Öllämpchen blinkt öl, leuchtet jedes Mal rot auf, wenn die beleuchtete Clownsnase auf der beschissen instand gehaltenen Landstraße zusammen mit dem Wagen durchgerüttelt wird.
    »Sie sind obszön«, sagt D.   L. ausdruckslos. »Das ist dabei.«

    »Sie lassen gewisse Wünsche wahr werden, nicht wahr, Sir?«, sagt Sternberg.
    Magda sieht Sternberg an, als wäre er ungefähr fünf.
    »Sei nicht so ein Idiot«, brüllt J.   D., als sie fast den Chrysler streifen, der an einer blinden grünen Kreuzung über den Schotter geschleudert ist und jetzt nach Osten fährt, in die falsche Richtung. Das noch durch die Wolken fallende Sonnenlicht hat die Farbe hochkarätiger Lakritze, und die Luft ist abgekühlt. Blitze zucken über die Himmelsflanke im Westen.
    »Lassen Wünsche wahr werden«, schnaubt J.   D. Er hat keine Zigarre im Mund. »Sie machen Wünsche. Das ist nicht das Gleiche, oder?« Ja, denkt er. Bis zur Vereinigung.
    »Sie sind obszö-ön«, sagt D.   L. im Singsang der Ignorierten.
    »Nimm das, wovor du am meisten Angst hast, und wünsch es dir. Ambrose weiß nicht, was er sich und dir eingebrockt hat, Bürschchen da hinten.«
    Mark sagt, er hat keine Ahnung, wovon Mr. Steelritter redet.
    Wovor Mark Nechtr am meisten Angst hat: solipsistischer Solipsismus: Schweigen.
    Wovor Tom Sternberg am meisten Angst hat: dem, was er im Inneren ist.
    Wovor Drew-Lynn Eberhardt am meisten Angst hat: noch unverraten und daher unbekannt.
    Wovor Dr. C— Ambrose am meisten Angst hat: dem Verlust seines Objekts und seiner Interpretationszwänge: befleckter Rock, Prothesen, angebliche Geschichte, verrutschte blonde Perücke.
    Wovor DeHaven Steelritter am meisten Angst hat: siehe unten.
    »Glaubt ihr, ein Werbespot wäre einfach bloß ein Kunststück?«, fragt J.   D. »Glaubt ihr, er wäre nicht das, worum es im Leben wirklich geht? Dass eure Ängste und Wünsche aufden Bäumen wachsen? Aus dem Nichts kommen? Dass ihr euch von Natur aus das wünscht, woran wir, eure Väter, tagaus, tagein gearbeitet haben, damit ihr es auch wirklich haben wollt? Werdet endlich erwachsen, Herrgott noch mal. Willkommen auf der Erde. Wir produzieren das, was in euch den Wunsch erweckt zu konsumieren. Werbung. Abführmittel. Kassenärzte. Backpulver. Versicherungen. Eure Ängste sind konstruiert – und eure Wünsche auch, auf demselben Fundament.« Er hebt Marks Vorrat und seinen eigenen über die Kopfstütze. »Die sind von meinem Paps. Von einer Beerdigung im Osten. Sie verschmelzen beide Seiten. Eine Zwangsheirat. Hochzeit mit vorgehaltener Pistole.«
    »Wenn man Blumen kocht, kommt man unter die Haube?«, sagt DeHaven. Sein Halb-und-halb-Clownsgesicht kreiselt zwischen unheimlicher Verwirrung und der absoluten Angst, instrumentalisiert zu werden.
    »Die sind eine Droge?«, sagt Sternberg. »Nur organisch? Eine Antiangst- und Prowunschdroge?«
    »Sie sind falsch «, sagt D.   L. im schneidenden Ton ihrer Tarot-Tutorin. »Sie repräsentieren die Tatsache, dass sie falsch sind. Sie sind nicht nur obszöne Symbole, sie sind auch plumpe Symbole.«
    »Steelritter …«, setzt Magda heiser an.
    J.   D. tut das Rückspiegelbild ihres orangenen Gesichts und der verrutschten Perücke mit einer Geste ab, jetzt so erpicht auf das, worauf er sein Leben verwettet hat, dass er fast sogar seine schlimmste Befürchtung sublimiert hat, es könne bei der Vereinigung regnen. Scheiß auf das Wetter im Mittleren Westen. Er sagt: »Das Post-Produkt-Fräulein hat ausnahmsweise recht. Es sind nur Symbole. Und als solche so subtil wie ein Ziegelstein, Herrgott noch mal.«
    »Wir essen Symbole?«
    DeHaven mustert das stetige rote Lämpchen. »Paps?«

    J.   D. kann die hinterhältige Unschuld eines Mannes nicht fassen, der Symbole verteilt, als würden sie auf den Bäumen wachsen. Er wendet sich über den Rückspiegel an die Rückbank. »Und ihr glaubt, wie ihr wirkt, wie ihr fühlt, das wären die einzigen Hebel eures Werbeagenten? Eure einzige Quelle der Angst? Dass das Heute von ewiger Dauer ist?«
    Sternberg bejaht ohrenbetäubend.
    »Dann musst du aber noch ein bisschen erwachsen werden, Mr. Kuckt-sich-halb-immerzu-selber-an. Denn die Werbebranche gibt es schon ewig und drei Tage. Du hast so tief

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