Alles ist grün
gedrückt, wie eine Fremde das bei einem wirklich unheimlichen Film macht, ihre linke Schulter ist muskulös, und das Portweinmal leuchtet.
»Persönlich stehe ich hundert Prozent hinter deinen grundsätzlichen Interpretationsphänomenen«, sagt J. D. »Interpretation ist das Fleisch auf meinem Tisch und die Burger-Coupons in euren Brieftaschen. Aber diese Geschichte beispielsweise, die wir als Blaupause für die gesamte Juxhauskampagne nehmen mussten … diese Für Wen- Geschichte, siebenundsechzig. Da mocht ich die Idee. Aber nicht die Geschichte. Ich mag keine Geschichten über Geschichten.«
D. L. schnaubt leise in sich hinein.
Steelritter sieht auf sie hinab. »Weil wir nie Werbung für Werbung gemacht haben oder machen würden. Du etwa? Ein Verkäufer, der Verkäufer verkauft? Sinnlos. Herzlos. Mesalliance. Wertlos.«
Mark hat sich vorgebeugt, riecht Cannabis, Talkum, Karbol und Bernstein von DeHaven und D. L.
»Erzählungen fungieren im Grunde genau wie Werbekampagnen, oder?«, sagt J. D. Das spricht DeHaven mimisch nicht mit. »Was das Ziel angeht, wollen beide einen ins Bett kriegen, das weißt du ja bestimmt von der Tradeschool, Nechtr« – wirft einen kurzen Blick nach hinten. »›Lass mich in dich rein‹, sagen beide. Willst du von jemandem flachgelegt werden, der immerzu sagt: ›Hier bin ich und leg dich flach‹? Ja? Nein? Nein. Natürlich nicht. Ich jedenfalls nicht. Fällt unter kaltes Aufgeilen. Herzlos. Grausam. Eine Erzählung soll dich auf Händen ins Bett tragen. Und nicht dieser Spröde-Geliebte-Scheiß.«
Nebenbei mal ein Wetterbericht: Die dunklen Finger der Kundschafterwolken haben sich an der Sonne vorbeigetastet und grabschen nach dem weiten tief hängenden Himmel über dem heimtückischen Wagen. Schatten fallen in landkreisgroßen Streifen, ziehen graue Riegel über die dumpfgrüne Landschaft, eine asiatische Wasserfarbe raunt gedämpfte Farbe. Und Tom Sternberg, den Mark geflissentlich ignoriert hat,und dessen lähmende Klaustrophobie Sie wahrscheinlich vergessen haben, weil er in dem dahinjagenden, vollen, engen Wagen bisher nur verkörperte Stärke war, hat immer noch seine Erektion, sieht keinen Weg, wieder auf Politik zurückzukommen, hat jetzt fürchterliche Angst vor sich, will eine von diesen stasiswaagewegreißenden frittierten Blüten, nur schafft er es nicht, die Aufmerksamkeit des abgelenkten, hingerissenen Mark auf sich zu ziehen. Doch eine Idee verpasst ihm einen Volltreffer zwischen die Augen. Er erkundigt sich bei J. D. Steelritter, ob auf seiner Rosenfarm die Rosen wachsen, die der Akademiker in Maryland, dem Mark vertraut, abschneidet, frittiert und Mark vorsetzt. Das löst eine verheerende Entwicklung aus: Magdas gelbes Schweigen ist von der öffentlichen Art eines Menschen, dessen Sitznachbar beim Ballett gefurzt hat.
LETZTE UNTERBRECHUNG
Mark Nechtr hat ein leidenschaftliches persönliches Interesse an J. D. Steelritters informeller Kritik an Dr. C— Ambroses berühmter metafiktiver Erzählung »Verirrt im Juxhaus« entwickelt. Seiner Meinung nach liegt J. D. falsch, aber des Werbers Analogie von Liebhaber und Erzählung hält er für passend, weil sie auch erklären hilft, warum Mark von dieser Erzählung immer so aufgewühlt war, wie auch von Ambroses Bereitschaft, seine Kunst jetzt in eine dritte Dimension zu lizenzieren und »echte« Juxhäuser zu bauen. Seiner Ansicht nach haben J. D. Steelritter und der abwesende Dr. Ambrose nicht einfach »Verrat an ihren Ideen begangen« (eine für jedermann viel zu banale Anklage an die Adresse eines anderen), sondern sie haben es gleichsam rückwirkend getan: Sie wollen ein Juxhaus für Liebende aus einer Erzählung bauen, die nicht liebt.J. D. hat doch selbst gesagt, dass die Erzählung nicht liebt, oder? Genau. Mark findet aber, dass Steelritter nur halb recht hat. Die Erzählung liebt nicht, aber das liegt gerade daran, dass sie nicht grausam ist. Vielleicht sollte eine Erzählung einen Leser so behandeln, als wolle sie … okay, mit ihm schlafen. Ja, findet Mark, aus einem Juxhaus kann eine Erzählung gewonnen werden. Aber nicht, indem man das Juxhaus als Symbol benutzt, mit dem man machen kann, was man will. Nicht, indem man die armen Figuren in eines stopft oder vorgibt, der Schriftsteller irre in einem herum. Eine Erzählung macht man zum Juxhaus, indem man sie selbst in eines steckt. Für einen Liebenden. Mach den Leser zum Liebhaber, der drinnen sein will. Und dann leg ihn
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