Alles kam ganz anders
wird, Bisken? Ja, im Sommer ganz bestimmt, dann kommen all die Landhausbesitzer hierher und bringen ihr Viehzeug mit – aber im Winter? Na, das wird sich alles finden. Hauptsache ist, ich mache mein Studium. Du, das wird was, Bisken! Ich werde vor Stolz platzen, wenn ich so ein feines Schild an die Tür machen kann, mit ,Dr. med. vet. Elaine Grather…’ Ach nein, da wird ja ,Elaine Moorhof-Grather’ stehen. Bis dahin bist du ein alter, vernünftiger Hund geworden, Bisken! Glaubst du, daß du jemals vernünftig wirst, du kleiner Nichtsnutz?“
So unterhielten Bisken und ich uns bestens, während ich mit viel Liebe das Zimmer richtete, bis der Gong uns klarmachte, daß Grand-mères „leichtes Mittagessen“ fertig war. Wir rannten um die Wette zurück zum Haus.
Es dürfte überflüssig sein zu erwähnen, daß Bisken den Wettlauf gewann!
Nach dem Mittagessen hielt Grand-mère ihre ausgiebige und wohlverdiente Mittagsruhe. Das war ihr zu gönnen, sie hatte den ganzen Vormittag mit Leidenschaft in der Küche gearbeitet. Die Eltern zogen sich auch zurück, Marcus verschwand mit unbekanntem Ziel. Also saß ich allein da und guckte auf die Uhr und sehnte mich nach Ingo.
Was hatte ich ihm diesmal alles zu erzählen! Natürlich vor allem von meinen Zukunftsplänen, aber auch von Simone. Ich freute mich auf Simones Besuch – und ich gebe zu, daß ich auch neugierig war. Ihre Titine war bestimmt kein Wunschkind gewesen, es war wohl ein Druckfehler, wie mein Onkel Ferdinand im Wallis sich ausdrückt. Aber daß Simone das Kind über alles liebte, das war mir klar. Sie war so offen zu Grand-mère gewesen, hatte ungehemmt erzählt – aber mit keinem Wort hatte sie Titines Vater erwähnt. Und es war klar, daß sie von ihm keine Unterstützung bekam, sonst hätte sie nicht so viele und große finanzielle Schwierigkeiten gehabt. Wie war es bloß möglich, daß ein Mann ein so reizendes Mädchen wie Simone hatte sitzenlassen? Vielleicht war er verheiratet und hatte ihr das verschwiegen? So was kam ja vor.
Mit sechzehneinhalb hatte sie Titine auf die Welt gebracht. Also war sie damals höchstwahrscheinlich noch zur Schule gegangen. Ein Mädchen, das seine Ausbildung unterbrechen mußte. Die kleine Titine hatte ihrer Mutter die ganze Zukunft verbaut. Simone mit ihren klugen Augen, mit ihren Sprachkenntnissen, mit ihren vielen Möglichkeiten – sie kämpfte sich mit Hilfe von zufälligen Jobs durch – statt eine Lehre, ein Studium, eine gute Ausbildung zu bekommen.
Ja, ich war neugierig. Ich wollte furchtbar gern mehr über Simone wissen. Simone, die ihr Kind über alles liebte und es so teuer bezahlt hatte!
Ja, wenn sie am Dienstag kam, wollte ich… hoppla!
Bisken rannte zur Tür, er kratzte und bellte und hopste, piepste und zeigte die allerhöchste Aufregung. Sein feines Tierohr hatte schon etwas gehört, bevor ich mit meinen lächerlichen Menschenohren es mitgekriegt hatte: das Geräusch von einem, uns beiden wohlbekannten Auto!
Bisken und ich liefen um die Wette durch die Einfahrt, auf die Straße – und da kam Ingos kleine grüne Ente angerollt!
Zehn Minuten später saßen wir gemütlich zusammen in Ingos Zimmer, das heißt also, in der Filmwerkstatt. Ich hatte schon im voraus ein Kaffeetablett mit einer verschwenderischen Menge Kuchen – von Grand-mères Spitzenqualität – zurechtgemacht. Noch hatten wir eine Stunde für uns, bevor die schlafende Familie sich zeigen würde. Und wie wir die Stunde ausnutzten! Nicht nur für Liebkosungen und zärtliche Worte, sondern auch für Fragen und Erzählen.
Ingo horchte mit großen Augen, als ich ihm von meinen geänderten Zukunftsplänen erzählte. Und es zeigte sich, daß ich recht gehabt hatte, als ich meinen Eltern sagte, Ingo hätte bestimmt nichts dagegen, mit einer Tierärztin verheiratet zu sein.
„Ich finde es großartig, Lillepus!“ versicherte er. „Aber es wird ein tolles Arbeitsjahr für dich bedeuten, denn es soll irrsinnig schwer sein, an der Veterinärhochschule in Hannover aufgenommen zu werden!“
„Ich weiß! Aber siehst du, nun habe ich mein Leben lang, oder jedenfalls meine Schulzeit lang zu hören bekommen, ,du könntest, wenn du wolltest!’ Das sagten die Lehrer, das sagten meine Eltern, wenn meine Zeugnisse etwas zu wünschen übrig ließen. Immer hieß es, ,du könntest, wenn du wolltest’ – und jetzt will ich! Ich will wirklich! Ich werde mich durch nichts abhalten lassen – das heißt, nur von dir!“
Ingo legte den Arm fester um
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