Alles kam ganz anders
einmischen darf “ , kam es von Mama. „Wenn große Wäsche an der Reihe ist, immer abends die Maschine füllen. Waschpulver reintun und Programm einstellen. Nächsten Morgen gleich vor dem Duschen und Anziehen runterlaufen und einschalten. Dann ist die Wäsche kurz nach dem Frühstück fertig und kann gleich aufgehängt werden. So ist sie mit Petrus’ Hilfe gegen Mittag trocken.“
Mit anderen Worten: Die guten Ratschläge von zwei klugen, erfahrenen Hausfrauen prasselten auf mich nieder. Ich mußte zuletzt Papier und Stift holen und in Stichworten alles notieren!
Ich machte Marcus’ Schulbrote zurecht, und in einem Anfall von schwesterlicher Liebe packte ich ein Stück Kuchen und eine Schokoladentafel mit ein.
Ich bekam den Auftrag, auch das Mittagessen zu besorgen, für heute und morgen. „Ich koche!“ sagte Jessica. „Das, was ich mitbrachte, und was ihr sonst im Tiefkühlfach habt, wirst du später brauchen. Kauf reichlich Zitronen, morgen gibt es Zitronenpudding. Das wird meine letzte gute Tat sein, bevor ich losfahre, nach Hause zu meinem sich sehnenden Ehemann! Aber ich komme nächstes Wochenende zurück, falls ihr mich braucht!“
„Oh, Jessica, du bist ein Engel.“ Ich umarmte sie so heftig, daß sie stöhnte.
„Von mir hast du eine Umarmung gut“, versprach Mama. „Mit Zinsen!“
An diesem Tag lernte Mama ein neues Kunststück: bei ihrer gesegneten Gelenkigkeit konnte sie die Türklinken mit dem Fuß runterdrücken und so die Türen öffnen. Also konnte sie sich von Zimmer zu Zimmer ohne Hilfe fortbewegen.
Die Idee mit den Gläsern für Getränke kam aber von mir: ich stellte in jedem Zimmer ein Glas Orangensaft – Mamas Lieblingsgetränk – parat, mit einem Trinkhalm quer über dem Glas. Nach kurzer Übung schaffte es Mama, den Halm mit dem Mund ins Glas zu stecken, wieder rauszuholen und zurückzulegen, quer über das Glas.
Mit solchen und ähnlichen Kleinigkeiten war sie beschäftigt, das war ungeheuer wichtig. Dann sprach sie auf ein Kassettenband alles, was ihr so einfiel, woran ich denken mußte – Sachen, die sie sonst auf einer Notizrolle aufgeschrieben hätte.
O ja. wir wurden alle erfinderisch, und das wurde so allmählich ein Sport für uns.
Dann mußte Jessica uns verlassen, und wir drei Zweibeiner und drei Vierbeiner waren uns selbst überlassen. Der kleine Kater Felix hatte sich ganz eingelebt bei uns, er hatte mit Anton und Bisken dicke Freundschaft geschlossen; er verbrachte seine Nächte in Marcus’ Zimmer und seine Ruhestunden über Tag am liebsten auf Mamas Schoß. Bisken war anscheinend etwas verwirrt, er begriff wohl nicht so ganz, daß Mama ihn nie mehr streichelte. In dem Punkt war er nämlich sehr verwöhnt.
Als die Post am Montag kam – von Marcus auf dem Nachhauseweg von der Schule abgeholt, diese Aufgabe hatte er zugeteilt bekommen –, zeigte es sich, daß auch andere erfinderisch gewesen waren. Für mich kam ein dicker Brief von Antje Sager! Er enthielt ein Kassettenband und ein Briefchen:
„Liebe Elaine!
Dies hast Du meinem erfinderischen Vater zu verdanken: Als wir gestern unsere Mathematikstunde hatten, kam ihm die glorreiche Idee, alles auf Band aufzunehmen. Ich fand seine Erklärungen ganz besonders klar und leicht verständlich gestern. Vielleicht können sie Dir auch helfen? Wenn Du willst, kann ich auch den Romulus bitten, seine lateinischen Goldkörnchen aufnehmen zu dürfen, ich schicke Dir dann das Band, oder die Bänder. Ich habe einen Haufen alte Bänder, die ich benutzen kann, ich kriege sie dann zurück, wenn Du sie nicht mehr brauchst.
Hoffentlich schaffst Du es. wenn Du diese Hilfe in den beiden schwierigsten Fächern kriegst. Du mußt eben die Bänder abhören, wenn Du beim Bügeln oder Kartoffelschälen bist, oder in der Badewanne oder auf dem Klo!
Meine Eltern lassen grüßen. Vati spricht noch von Deinem Einsatz bei dem schwerverletzten Dackel. Als ich antwortete: ‚Und dabei ist doch Elaine ein blutiger Laie’, sagte Vati: ‚Blutig war sie jedenfalls!’
Also, alles Gute, hoffentlich klappt es mit Romulus und der Bandaufnahme. Du brauchst keine gerührten Dankbarkeitsanfälle zu kriegen. Du wirst Dich nämlich bei mir später ausgiebig revanchieren können – beim Französischen!
Unfaßbar, daß es Menschen gibt, die diese verflixte Sprache fließend sprechen! Sogar kleine Kinder!
Ich laufe zum Briefkasten!
Herzliche Grüße, Deine Antje“
Romulus war unser „Kosename“ für den Lateinlehrer. Ja, wenn er
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